«Gjätt, Lugihoger, Luusezybi, Muusfääli, Märzendräck»
10.07.2020 KulturNEUES BUCH Der Thuner Dermatologe Hans Suter hat über 1600 mundartliche Begriffe für Hautkrankheiten zusammengetragen und in seinem jüngsten Werk veröffentlicht.
PETER SCHIBLI
Das erste Manuskript war ein Wörterbuch mit berndeutschen Ausdrücken aus der Haut-, ...
NEUES BUCH Der Thuner Dermatologe Hans Suter hat über 1600 mundartliche Begriffe für Hautkrankheiten zusammengetragen und in seinem jüngsten Werk veröffentlicht.
PETER SCHIBLI
Das erste Manuskript war ein Wörterbuch mit berndeutschen Ausdrücken aus der Haut-, Haar- und Nagelmedizin. Es trug den Titel «Vom Aamal zur Zytrusse u vom Bybeli zum Puggel». Verfasst hatte das Unikat der Thuner Dermatologe und Kunstsammler Hans Suter. Als es die Gwatter Verlegerin Annette Weber 2017 in die Hände bekam, hatte sie eine Idee: Sie schlug dem Autoren vor, das ungewöhnliche Wortverzeichnis durch eine ausführliche Autobiografie und 60 ausgewählte Werke aus Suters Kunstsammlung zu ergänzen.
Entstanden ist ein spannendes, qualitativ hochstehendes Buch, das die wichtigsten Facetten, Leidenschaften und Engagements des Thuner Arztes umfasst – quasi eine reich bebilderte Biografie. Suter ist 90-jährig und lebt mit seiner Ehefrau in Fahrni bei Thun.
Fan und Kenner von Paul Klee
Im ersten Teil schildert der Autor ausführlich seine Herkunft, seine Jugend und sein Studium. Liebevoll beschreibt er seine langjährige Ehe mit Marlis Suter-Trächsel, das Familienleben, die Kinder, seinen beruflichen Werdegang. Hans Suter führte von 1965 bis 2004 eine Hautarztpraxis in Thun. Bis 2005 lehrte er an der Universitätshautklinik des Berner Inselspitals. Spannend klingt auch sein Beziehungsnetz, das weit über die Medizin in die Kultur, Politik und Wirtschaft hineinreicht. 2006 wurde Suter Ehrendoktor der Medizinischen Fakultät der Universität Bern.
Der Kunstteil wird eingeleitet durch Pastellzeichnungen des Autors, die an das Schaffen von Paul Klee erinnern. Das ist kein Zufall. Suter ist ein Kenner und Fan des Künstlers. 1979 stand er wegen seiner Nachforschungen über Klees Krankheit in Kontakt mit dessen Sohn. Anlässlich eines öffentlichen Vortrags konnte er Felix Klee im Rittersaal auf Schloss Thun persönlich begrüssen und befragen. Nach Suters Erkenntnissen litt Paul Klee an der Autoimmunkrankheit Sklerodermie.
Die 60 im Buch abgebildeten Kunstwerke stammen allerdings nicht von Klee, sondern von mehr oder weniger bekannten Berner Künstlerinnen und Künstlern – viele mit Motiven aus dem Berner Oberland.
Fachwörter aus der Region
Nicht weniger originell ist der dritte Teil des Bandes: das eingangs erwähnte Wortverzeichnis. Bei der umfassenden Zusammenstellung 1600 berndeutscher Mundartbezeichnungen verschiedener Hautkrankheiten handelt es sich um ein wenig erforschtes Thema im Grenzbereich zwischen Medizin und Etymologie (Wissenschaft von der Herkunft und Entstehung von Wörtern). Die Ausdrücke sind in alphabetischer Reihenfolge gelistet und werden durch Synonyme und deren regionale Herkunft ergänzt. Neben Ausdrücken aus dem Kander-, Engstligund Simmental sind auch solche aus dem Haslital, aus dem Emmental, dem Oberaargau sowie den Städten Thun und Bern aufgeführt. Für den Sprachwissenschaftler Peter Glatthard ist Suters Sammlung ein «medizinisch-sprachlichkünstlerisches Kleinod – ein Gesamtkunstwerk».
Abschliessend sei noch der Titel dieses Textes aufgelöst: «Gjätt» steht für eine harmlose, aber kosmetisch störende «Alterswarze» am Rumpf; «e Lugihoger» und «e zwöite Gring» ist eine baumnussgrosse Talgzyste an der Stirn oder auf dem Haarboden; unter «Luusezybi» versteht man einen glatten Scheitel, auf dem die Läuse hinabgleiten können («Zybi» = Gleitbahn auf dem Eis oder auf vereister Strasse); «es Muusfääli» ist ein grosses, behaartes, braunes Muttermal. Märzendräck sind Sommersprossen.