Frutigens Goalie-Coaches hören auf
17.07.2020 Frutigen, SportFUSSBALL Während der vergangenen 30 Jahre prägte Erich von Känel den Torhüternachwuchs der Region wie kaum ein anderer. Mitte 2020 ist Schluss damit. Auch seine Trainerkollegin Anna Germann gibt ihr Amt ab.
KARIN SPRECHER
1972: In Brüssel wird die vierte ...
FUSSBALL Während der vergangenen 30 Jahre prägte Erich von Känel den Torhüternachwuchs der Region wie kaum ein anderer. Mitte 2020 ist Schluss damit. Auch seine Trainerkollegin Anna Germann gibt ihr Amt ab.
KARIN SPRECHER
1972: In Brüssel wird die vierte Fussball-EM ausgetragen. Die deutsche Nationalmannschaft wird Europameister und mit ihr Sepp Maier, seines Zeichens erfolgreichster Torwart der deutschen Fussballgeschichte. Erich von Känel, damals acht Jahre alt und kein Sprinttalent – eher unsportlich sogar –, will ab da wie Sepp Maier sein. Selbstbewusst trägt er das den Juniortrainern des FC Frutigen vor. «Nur im Goal stehen wollte früher keiner», erinnert sich der heute 56-Jährige. «Mit meinen Ambitionen war ich also höchst willkommen.»
Ein Schienbeinbruch stoppte die Karriere
Die Verantwortung eines Torhüters ist gross. Er muss nicht nur dafür sorgen, dass die Gegner keine Tore schiessen – durch seine Abschläge oder Abwürfe leitet er auch Gegenangriffe ein. Im heutigen Fussball gilt der Keeper deshalb als elfter Feldspieler. Das und vieles mehr hat Erich von Känel von der Pike auf gelernt, während er beim FC Frutigen alle Juniorenstationen durchlief und sich im Aktivfussball von der fünften bis in die zweite Liga hochspielte. Soweit, so gut? Nein, der Nachwuchstorhüter strebte die erste Liga an. Dafür musste er jedoch zum FC Thun wechseln.
Dort hütete er Fussballtore wie seine Augäpfel, bis ihn ein Schienbeinbruch im Jahr 1989 stoppte. «Die Genesungszeit, gekoppelt mit beruflichen Belastungen, veranlasste mich dazu, meine Aktivzeit beim FC Thun zu beenden», erklärt von Känel wehmütig. Noch während er seine Zweitausbildung zum Automechaniker absolvierte, musste er den elterlichen Garagenbetrieb früher übernehmen als erwartet.
Eigenes Trainingsmodell für Keeper
Von Känel kehrte zu seinem Heimatclub Frutigen zurück und übernahm dort in Meisterschaftsspielen wieder die Torwartposition. Zudem wurde er Goalietrainer für die Junioren- und Herrenteams. «Spezifische Trainingsmodelle für Torhüter waren damals kaum entwickelt», erinnert er sich. «Für mich war das ein nicht länger akzeptabler Zustand, denn Torhüter müssen bezüglich Konstitution, Reaktionsfähigkeit und Bewegungsabläufen ganz andere Anforderungen erfüllen als Feldspieler.» Also bündelte von Känel für die «Kids-Keeper» torhüterspezifische Grundlagen und Taktiken in einem selbst entwickelten Trainingsprogramm, das auf den 15 goldenen Regeln des Bieler Torhütertrainers Reto Aebi basierte. Mit dem nötigen Material wurde von Känel von Gerhard Fehr unterstützt, dem damaligen Goalietrainer des FC Thun. Der Frutiger bildete sich aus bis zum Goalietrainer Niveau 3 – damals die höchste Stufe im Torhüterbereich. Im Rückblick kann man sagen, von Känels Wirken revolutionierte die Nachwuchsförderung für Torhüter im Berner Oberland.
Zurück zum FC Thun
Alsbald fiel er wieder ins Augenmerk des FC Thun. Würde er auch dessen Torhüter-Nachwuchs trainieren? Unbedingt! Für von Känel war klar: Je mehr Nachwuchstalente von einem spezifischen Torhüterprogramm profitierten, desto besser würde die Goalie-Qualität in der Region. Zudem konnte er sich als Coach des FC Thun in der Stützpunktorganisation des Fussballverbandes Berner Oberland (FVBO) einbringen, die zu dieser Zeit ins Leben gerufen worden ist. Sie dient dem Ziel, willige und fähige SpielerInnen auf die nächste Leistungsstufe vorzubereiten. Dazu gehört nicht nur die Förderung der Nachwuchstalente, sondern auch die Begleitung ihrer Familien. «Das ist eine wichtige Aufgabe», betont von Känel. «Denn auch von der Familie eines Spielers mit Profi-Ambitionen wird enorm viel verlangt.»
«Jüngeren das Feld überlassen»
In der Region um Thun / Frutigen ist heute kaum ein Torhüter zu finden, der von Känels «Trainingsmühle» nicht durchlaufen hat. Alles allein gemacht hat er allerdings nicht. Ab 2003 stand ihm beim FC Frutigen Anna Germann zur Seite, eine erfahrene Zweitliga-Spielerin. Die beiden agierten wie ein alt eingespieltes Ehepaar – so jedenfalls die Meinung der trainierten Kids.
Nun, nach insgesamt 45 Jahren aktiven Fussballs und 30 Jahren als Goalietrainer, ist für Erich von Känel Schluss. Mitte 2020 beendet der FVBO sein Stützpunktkonzept. Dies gab für den Frutiger und seine Trainerkollegin Anna Germann den Ausschlag zum Aufhören. «Es ist an der Zeit, den Jüngeren das Feld zu überlassen», meinen die beiden unisono.