KOLUMNE – SCHRITT FÜR SCHRITT - Unmöglich?
07.07.2020 KolumneUnmöglich?
Als ich vor elf Jahren das Buch «Born to Run» von Christopher McDougall las, war ich erst einmal sprachlos. Das Buch erzählt von den Tarahumara, einem Volk im Norden von Mexiko, bei dem das Laufen zur natürlichsten Sache der Welt gehört. Sie betreiben ...
Unmöglich?
Als ich vor elf Jahren das Buch «Born to Run» von Christopher McDougall las, war ich erst einmal sprachlos. Das Buch erzählt von den Tarahumara, einem Volk im Norden von Mexiko, bei dem das Laufen zur natürlichsten Sache der Welt gehört. Sie betreiben Hetzjagd auf Wildtiere, die sie im Dauerlauf über Berghänge verfolgen, bis diese erschöpft zu Boden sinken und mit blossen Händen erlegt werden können. Die Rarámuri, wie sie sich auch nennen, laufen dabei problemlos über 24 Stunden in Sandalen oder barfuss ohne anzuhalten und legen dabei Strecken bis zu 170 Kilometern zurück. Für unsereins erscheint dies unmöglich! Oder doch nicht? Ich war fasziniert von dem Gedanken, so weit aus eigener Kraft laufen zu können. Irgendwann wollte ich auch testen, wo meine Grenzen liegen. Ich trainierte zuerst auf kürzeren, dann auf immer längeren Strecken. War vorerst ein Marathon für mich unmöglich, wurde er nach mehreren Bergläufen plötzlich möglich. Wo sind also die Grenzen? Vielleicht setzen wir sie uns ja selbst.
«Die Frutigländer Medien AG fällt dem Coronavirus zum Opfer und wird im Herbst 2020 aus wirtschaftlichen Gründen liquidiert.» So hiess es Ende Mai in einer Mitteilung der beliebten lokalen Zeitung. Unmöglich erschien es wohl den Verlegern, nach dieser riesigen Einbusse der Corona-Krise die Kommunikationsplattform aufrechterhalten zu können. Doch dann kam die Motivation vieler treuer Leser auf. Sie kämpften für die Zeitung und liessen in zahlreichen Leserbriefen und Reaktionen durchblicken, wie wichtig für sie diese Zeitung sei. Und siehe da: Es wurde eine Lösung für die Weiterführung des «Frutigländers» gefunden.
Zur selben Zeit nehme ich an einem Projekt teil. 800 Kilometer in drei Monaten ist die Aufgabenstellung eines Veranstalters namens Swissalps100. Ich frage mich, in welchem Zeitrahmen dies mit einem Arbeitspensum von 100 Prozent wohl möglich ist. Als ich die ersten 100 Kilometer gelaufen bin, kommt immer mehr Motivation auf, die Aufgabe unter 30 Tagen zu schaffen. Zuletzt fehlen mir nach 22 Tagen und 719 gelaufenen Kilometern noch 81 Kilometer bis zum erfolgreichen Abschluss. Unmöglich schien mir diese Aufgabe, nach so viel gelaufenen Kilometern der letzten Tage, dies an einem Tag zu schaffen. Ich zeichnete eine Route durch unsere schöne Bergwelt, die genau 81 Kilometer lang war, und überlegte mir, wie viel Zeit ich dafür brauchen würde. «Unmöglich!», würde wohl mancher sagen. «Es wird schwierig!», sagte mein Verstand, aber zumindest wollte ich es versuchen. Ich vertraute meinen Fähigkeiten und wusste, dass das Leben auch weitergeht, wenn ich es nicht schaffen würde. Ich lief mit Freude und mit der Motivation, meine selbst gesetzten Grenzen zu verschieben. Es hat sich gelohnt, ich habe es geschafft!
Der «Frutigländer» hat es auch geschafft, er bleibt uns erhalten. Ich danke allen, die sich dafür eingesetzt und die Verleger motiviert haben, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Dank Euch ist ein Weiterbestehen unserer geliebten Zeitung möglich!
HELENE OGI
INFO@FIT-MIT-MOVIDA.CH