Eine Frage Ihrer eigenen Präferenz
Werter Herr Fiechter, in Ihrer Kolumne wird deutlich, dass Sie der Ansicht sind, es sei hinsichtlich der wirtschaftlichen Krise sinnlos, ökologische und sozialpolitische Ziele zu verfolgen. Ihr Text erweckt den Anschein, als seien alle ...
Eine Frage Ihrer eigenen Präferenz
Werter Herr Fiechter, in Ihrer Kolumne wird deutlich, dass Sie der Ansicht sind, es sei hinsichtlich der wirtschaftlichen Krise sinnlos, ökologische und sozialpolitische Ziele zu verfolgen. Ihr Text erweckt den Anschein, als seien alle Probleme gelöst, die wir vor der Krise hatten. Schön wärs! Wäre doch die Klimakrise Vergangenheit und Rassismus endlich aus unser aller Köpfen verschwunden! Nur leider ist das nicht so … Ja, die sich anbahnende Wirtschaftskrise ist genauso real wie es die Klimakrise und der strukturelle Rassismus in unserer Gesellschaft sind. Wir befinden uns also nicht in nur einer einzigen Krise, und das erfordert engagierteres Handeln der Gesellschaft. Ein Beispiel: Wenn aufgrund eines Sturms Ihr Keller geflutet wird, kurze Zeit später eine Scheibe zerbirst und der Gartentisch wegzuwehen droht; wo werden Sie zuerst reagieren? In einer solchen Situation können Sie sich nicht auf eine einzelne Baustelle konzentrieren – Sie müssen darauf hoffen, dass die ganze Familie an jeder Stelle im Haus mithilft!
Nur weil Ihnen die Gartenstühle (in diesem Fall die Wirtschaft) mehr am Herzen liegen als etwa der Keller oder die Fensterscheiben (das Klima oder die Debatte um strukturellen Rassismus) heisst das nicht, das diese weniger wichtig sind. Es ist eine Frage Ihrer eigenen Präferenz und nicht des Krisenmanagements.
Und lassen Sie mich noch kurz etwas zur aktuellen Rassismusdebatte sagen: Der Mord an George Floyd war nicht einfach so ein Auslöser aus dem Nichts. Er war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er war deshalb eine rassistische Tat, weil PoC (People of Colour) solches Verhalten Tag für Tag erleben. Wie können wir uns als weisse, männliche Mittelstandsmenschen anmassen, zu bestimmen, was jetzt genau rassistisch ist? Können wir nicht! Denn der Rassismus, den wir erleben, ist der «Rassismus des Privilegs». Aufgrund weisser Hautfarbe weniger verdächtigt werden, als reich und gebildet betrachtet werden – all das stellt uns in ein besseres Licht und ist daher nicht «diskriminierender Rassismus».
SEBASTIAN RÜTHY, STEFFISBURG