DIE SCHWEIZ ZWISCHEN MORGEN UND MITTAG
Da können die unverschämten Food-Blogger noch so vorlaut schreiben, er sei «doof», «so ziemlich das Schlimmste» oder gar «das Frühstück aus der Hölle» – der Brunch ist am 1. August einfach allgegenwärtig. Sie haben es am ...
DIE SCHWEIZ ZWISCHEN MORGEN UND MITTAG
Da können die unverschämten Food-Blogger noch so vorlaut schreiben, er sei «doof», «so ziemlich das Schlimmste» oder gar «das Frühstück aus der Hölle» – der Brunch ist am 1. August einfach allgegenwärtig. Sie haben es am vergangenen Dienstag vielleicht im «Frutigländer» gelesen: Gebruncht wird morgen Samstag etwa in Restaurants und Berghäusern in Adelboden, in Aeschi, in Frutigen und in Reichenbach. Schweizweit laden Bauernfamilien am Nationalfeiertag zudem mehr als 100 000 Gäste zur Tafelrunde auf dem Hof ein.
Auf den ersten Blick erstaunt der alljährliche Pilgerstrom zu den Büffets voller Rührei, Müesli und Alpkäse nicht. Bei der beliebten Kombination von Frühstück und Mittagessen trifft man beim Brunch schliesslich nicht nur warme und kalte Speisen an, sondern auch Freunde und Familie. Man kann spät aufstehen und dann trotzdem länger sitzen bleiben. Man findet selbst als wortkarger Morgenmuffel rasch Gesprächseinstiege am Tisch («Pistazien im Fleischkäse? Wie ausgefallen!» – «Der Prosecco könnte aber etwas kühler sein ...»).
Auf den zweiten Blick kann man sich dennoch fragen, warum ausgerechnet der Brunch am 1. August so intensiv zelebriert wird. Schliesslich stammt die Idee ursprünglich aus England (der Begriff taucht übrigens erstmals 1895 in der Jagdzeitschrift «Hunter’s Weekly» auf). In den 1930er-Jahren wurde das Konzept dann in den USA bekannt und hat sich erst ab Mitte des letzten Jahrhunderts in der Schweiz etabliert – alles andere als eine urschweizerische Tradition also.
Ausserdem scheint der Brunch der Mentalität der Eidgenossen in vielerlei Hinsicht zu widersprechen: Wo bleiben hehre Werte wie Bescheidenheit, Sparsamkeit, Zurückhaltung und Innovationskraft, wenn wir uns Jahr für Jahr hemmungslos in denselben lauten, vollen Lokalen mästen? Behalten die frechen Food-Blogger am Ende vielleicht doch recht?
Immerhin bietet der Schweizer Bauernverband dieses Jahr auch die Togo-Variante des Brunchs an. Hierbei kann man das «Buure-Zmorge» in einer Edelweiss-Tasche nach Hause nehmen. Darauf einen einsamen Prosecco.
BENJAMIN HALTMEIER
B.HALTMEIER@FRUTIGLAENDER.CH