WIE SAND AM MEER
Wenn ich bei Thun den Allmendtunnel passiere, fällt mir hin und wieder auf, welche Mengen Beton dort verarbeitet werden. Nicht immer erschliesst sich mir der Sinn der Baumassnahmen. So gibt es vor der Tunneleinfahrt lange, meterhohe Mauern. Die sollen ...
WIE SAND AM MEER
Wenn ich bei Thun den Allmendtunnel passiere, fällt mir hin und wieder auf, welche Mengen Beton dort verarbeitet werden. Nicht immer erschliesst sich mir der Sinn der Baumassnahmen. So gibt es vor der Tunneleinfahrt lange, meterhohe Mauern. Die sollen offenbar die beiden Fahrspuren voneinander trennen, damit sich niemand in die falsche Röhre verirrt. Nun gut, die Schweiz ist eben ein ordentliches Land mit hohen Sicherheitsstandards, da braucht es vielleicht auch Tunnelröhrentrennmauern.
Die Frage ist nur, wie lange man sich solche Beton-Orgien noch leisten kann. Nein, nicht wegen der Finanzkraft, da mache ich mir in der Schweiz trotz aller Corona-Geschichten keine Sorgen. Das Problem ist der Sand! Entgegen einer verbreiteten Vorstellung gibt es den nämlich nicht wie Sand am Meer. Im Gegenteil: Die kleinen Körnchen werden immer knapper. Pro Jahr werden weltweit 50 Milliarden Tonnen Sand umgesetzt – der allergrösste Teil in der Bauwirtschaft. In den letzten 20 Jahren hat sich die Nachfrage verdreifacht, und sie nimmt weiter zu, vor allem in Asien und Afrika. «Was, Afrika», werden Sie nun sagen, «in der Sahara liegt ja nun wahrlich genug Sand herum!» Das stimmt – nur kann man gerade diesen Sand nicht zum Bauen verwenden. Die Körnchen sind zu klein, Beton lässt sich aus dem Wüstenpulver nicht herstellen. Auch in den bau boomenden arabischen Staaten herrscht deshalb akuter Sandmangel.
Und wie immer, wenn ein Gut knapp ist, blüht die Kriminalität. In manchen Weltgegenden gibt es inzwischen eine regelrechte Sandmafia. Die baggert Flussbetten aus, räumt nachts ganze Strände leer, saugt mit schwerem Spezialgerät den Meeresboden ab. Die ökologischen Folgen sind verheerend: Biotope werden zerstört, der Grundwasserspiegel sinkt, Böden versalzen, Überschwemmungen häufen sich.
In der Schweiz ist das alles natürlich ganz anders. Hier werden Sand und Kies (hoffentlich) legal abgebaut und 90 Prozent der Bauabfälle wiederverwertet, was den Bedarf an Rohstoffen verringert. Trotzdem: Wenn das nächste Mal irgendwo eine schöne, grosse Mauer geplant wird, sollte man besser zweimal überlegen, ob die wirklich nötig ist.
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH