Sorgt für Kälte – fördert Hitze
31.07.2020 GesellschaftTECHNIK Klimaanlagen sind dieser Tage begehrt – und umstritten. Denn viele Menschen sind überzeugt, dass die künst lich gekühlte Luft sie krank macht. Auch sonst haben die brummenden Kältemaschinen einige Nachteile.
MARK POLLMEIER
Noch vor einigen Jahren war sie ...
TECHNIK Klimaanlagen sind dieser Tage begehrt – und umstritten. Denn viele Menschen sind überzeugt, dass die künst lich gekühlte Luft sie krank macht. Auch sonst haben die brummenden Kältemaschinen einige Nachteile.
MARK POLLMEIER
Noch vor einigen Jahren war sie – zumindest in Westeuropa – reiner Luxus: die Klimaanlage. Heute wird sie in fast jedes Transportmittel eingebaut, auch viele Gebäude verfügen inzwischen über einen solchen Apparat.
Mit der Klimaanlage hat sich auch ein neues Diskussionsthema etabliert: Wann ist es so heiss, dass man die Innenluft künstlich hinunterkühlen darf? Und wie kalt darf die Temperatur dann eingestellt werden? Wer schon einmal an einem heissen Sommertag mit mehreren Leuten im Auto unterwegs war, kennt solche Debatten, und auch in Grossraumbüros ist die «richtige» Raumtemperatur immer wieder Thema.
Der Boom kam spät
Dass es so lange gedauert hat, bis sich die Klimaanlage in Europa durchgesetzt hat, ist eigentlich erstaunlich. Im Prinzip ist so ein Apparat ja nicht viel mehr als ein leistungsstarker Kühlschrankkompressor. Kühlschränke aber fanden schon früh Verbreitung: Bereits in den 1930er-Jahren verfügte jeder zweite USamerikanische Haushalt über ein solches Gerät. Ende der 1930er-Jahre begannen die ersten Autohersteller, in ihre Fahrzeuge Klimaanlagen einzubauen.
Während der Kühlschrank spätestens in den 1960er-Jahren auch in Schweizer Einbauküchen Standard war, liess die Klimaanlage dagegen noch länger auf sich warten. Für europäische Fahrzeuge werden sie erst seit Anfang der 1990er-Jahre angeboten, in Gebäuden haben vor allem die Hitzsommer der letzten Jahre zu einem Boom mobiler und fest eingebauter Klimageräte geführt.
Den «Schock» vermeiden
Zumindest aus dem Transportwesen sind Klimaanlagen heute kaum mehr wegzudenken. 97 Prozent der SBB-Personenzüge sind damit ausgestattet, rund 8000 solcher Anlagen fährt das Transportunternehmen in seinen Wagen oder Lokomotiven spazieren.
Von den Bahnen kann man auch lernen, was eine angenehme Temperierung ist. Gemäss einer europäischen Norm werden die Fahrgasträume nicht stärker als fünf bis sieben Grad Celsius unter die Aussenlufttemperatur gekühlt. Diese Differenz empfindet der Mensch als deutliche Abkühlung, ohne dabei jedoch gleich einen «Kälteschock» zu erleiden.
Tatsächlich drehen sich die Temperaturdiskussionen in Büros und Autos häufig darum, ob man von Klimaanlagen krank wird. Nicht ganz zu Unrecht: Verschiedene Studien haben nachgewiesen, dass der Krankenstand in klimatisierten Büros auch im Sommer höher ist. Das allerdings liegt nicht unbedingt an der kalten Luft, sondern vielfach an schlecht gewarteten Anlagen. Offenbar sind solche Geräte ideale Brutstätten für Pilzsporen, Viren und Bakterien – die dann via Ventilator wunderbar im Raum verteilt werden. Hinzu kommt, dass Klimaanlagen der Raumluft Feuchtigkeit entziehen – vor allem, wenn sie besonders kalt eingestellt sind. Die menschlichen Schleimhäute werden dadurch anfälliger für Erreger und allergene Stoffe.
Echte Energiefresser
Es ist also sinnvoll, eine Klimaanlage nicht auf Eisfach-Temperatur einzustellen. Der moderate Einsatz hat einen weiteren Vorteil: Der Energieverbrauch hält sich so noch halbwegs im Rahmen. Je nach Modell können die Kältemaschinen nämlich echte Stromfresser sein. Besonders die mobilen Geräte, die in Hitzeperioden spontan angeschafft werden, verbrauchen sehr viel Energie. Effizienter (und leiser) sind Splitgeräte, bei denen ein Teil im Innern, der andere an der Aussenwand angebracht wird.
Doch auch dann gilt: Eine Klimaanlage ist keine umweltfreundliche Anschaffung. Zum hohen Energiebedarf kommt nämlich das meist problematische Kältemittel. Wie in Kühlschränken wirkten auch in Klimaanlagen früher chlorierte Kohlenwasserstoffe (FCKW). Weil diese die Ozonschicht angreifen, wurden sie Ende der 1980er-Jahre verboten. Doch auch die heutigen Substanzen haben ihre Tücken: Kohlendioxid ist inzwischen als Treibhausgas bekannt, Propangas ist zwar nicht klimaschädlich, dafür aber leicht brennbar und potenziell gefährlich.
Ein Kältemittel zu finden, das preiswert und einigermassen umweltverträglich ist, scheint schwierig zu sein.
Umweltfreundliche Alternativen
So sind Klimaanlagen zu einer paradoxen Angelegenheit geworden. Sie werden immer häufiger eingesetzt, weil extreme Hitzeperioden zunehmen. Doch indem der Mensch diese Geräte nutzt, trägt er zur weiteren Erwärmung des Planeten bei.
Die Alternativen sind seit Langem bekannt: eine bessere Gebäudeisolation, Sonnenschutz und Beschattung während der heissen Stunden des Tages, Lüften frühmorgens und am Abend. Und zur Not tut es vielleicht auch mal ein einfacher Ventilator – denn der hat einen deutlich geringeren Stromverbrauch.