UNTERLÄNDER IM OBERLAND - Lockdown-Idylle – und danach …
31.07.2020 KolumneLockdown-Idylle – und danach …
Na gut, vielleicht sollte man das nicht so laut sagen, aber: Ich habe den Lockdown im Berner Oberland genossen.
ALLES WAR RUHIG.
ALLES WAR PARADIESISCH.
SELBST PETRUS HAT UNS ALS VIRUS-PFLÄSTERCHEN WOCHENLANG EINEN ...
Lockdown-Idylle – und danach …
Na gut, vielleicht sollte man das nicht so laut sagen, aber: Ich habe den Lockdown im Berner Oberland genossen.
ALLES WAR RUHIG.
ALLES WAR PARADIESISCH.
SELBST PETRUS HAT UNS ALS VIRUS-PFLÄSTERCHEN WOCHENLANG EINEN SCHÖNWETTERHIMMEL GESCHICKT!
Idylle rundum.
Kein hysterischer Maskenball. Keine argwöhnischen Blicke, wenn die Haare graugelockt waren. Auch kein bissiges «Bleib daheim, du alte Pfeife!» Nein. Distanz – aber Herzlichkeit.
Man sagt ja immer, die Oberländer seien stur. Engstirnig. Und ziemlich abweisend in ihrer Art.
RIESENBLÖDSINN!
Ich fühlte mich hier im Exil rundum gut. Erlebte nach 60 Jahren erstmals dieses märchenhafte Wunder des Bergfrühlings – und freute mich ob der Kühe, die vor meinem Chalet am Chuenisbärgli herbeigaloppierten, wenn ich mit dem Salzstreuer winkte.
Schon meine fröhliche Mutter hat die Kühe hier vor einem halben Jahrhundert mit Salz gelockt. Göpfi bekam jedes Mal Zustände. Es würde den Viechern schaden. Sie hat dann dem Bauern zuliebe auf Salzlecksteine aus der LANDI umgestellt. Die Blöcke bestanden aus reinem Natrium chlorid und wurden von den Rindern geleckt wie Glace am Stiel.
ABER NATÜRLICH IST ES NICHT DAS-SELBE: WER EINMAL DAS RAUE G ESCHLABBER AUF DER SALZIGEN HAND GESPÜRT HAT, TRAUERT DER KUHZUNGE NOCH LANGE NACH …
Adelboden war lange still – aber nicht leer. Man war «unter sich». Und irgendwie war das Böse dieser verseuchten Welt im wunderschönen Bergdorf kaum spürbar. All das Unheimliche, das dem Städter, ja allen Menschen dieses Erdballs, jetzt oberhalb der Vermummung entgegenäugt, fiel hier weg. Kein Maskenball, keine Panik – man nahm Corona so gelassen wie einen Fehlentscheid im Bundesrat, den Milchpreis oder die Tatsache, dass beim warmen Sonnenwetter die «Nidle» schneller sauer wird. Die «Nidle» war das einzig «Saure», das ich hier erleben musste.
UND JETZT DIES: Wir werden seit ein paar Wochen überradelt von den Sportlichen, Trimmsüchtigen, Radelverrückten dieser Welt. Der Sport «macht ihnen den Tag» – die Fitness versprüht hier Schweiss wie die Gartenspritzanlage das Wasser über den Rasen.
Die einen blochen mit ihren motorisierten Bikes durchs Heu und über die Hügel. Und ganze Herden keuchender Rucksackträger preschen das Chuenisbärgli hinauf, um bei 30 Grad Hitze die Rennstrecke auch im Sommer zu erleben. Sie fotografieren den einsamen Kameramast, der wie ewiger Schnee in der Heide eingemauert steht. Und sie radeln sich an einer der Weltcup-Weg-Stationen auf einem rostigen «Göppel» den Hintern wund – nur damit sich ihnen mit der hart e rstrampelten Energie und dem selbstproduzierten Strom auf einem Bildschirm der Winter zeigt: Für ein paar Sekunden wird der Riesenslalomsturz von 2005 auch im Corona-Juli erlebbar. Daron Rahlves brettert mit drei Salti mortali in die Zuschauermenge. BINGO! ALLES SELBST HAUSGE-STRAMPELT. DAS MACHT SPASS.
Plötzlich ist das Schöne des Bergfrühlings von roten Wollsocken und schlechtsitzenden Shorts übermüllt.
Gigantische Rucksäcke werden gebuckelt, als gelte es, die Dreizimmerwohnung immer mit sich zu tragen. Und aus drei Seitentaschen baumeln Plastik-Nuckelflaschen, weil die «Apotheken U mschau» eisern mahnt: «VIEL TRIN-KEN … VIEL, VIEL TRINKEN!»
Kein Bergtourist, der nicht nuckelt! Und es sind nur wenige, welche die leere Nuckelflasche dann im Rucksackungetüm auch wieder mit sich heimtragen. Unser Wildstrubelweglein ist zur Abfallmulde verkommen. Selbst volle Windeln liegen vor meinem Gartentörchen. Und ich sehne mich in jene Monate zurück, als an allen diesen Bergwegen noch erste bergseewasserblaue Krokusse und zittrige Alpengräser die Augen verwöhnten.
Heute? Wilde Herden von Wanderbermudas, die aussehen, als müssten sie nochmals in den Vietnamkrieg.
Die Schweizer bleiben dieses Jahr zu Hause. Gut so. Denn die Schweiz hat hunderttausend wunderschöne Orte. Vor allem hat sie jetzt: FERIEN!
Ist es sehr egoistisch, wenn ich mich freue, dass diese Ferien bald wieder vorbei sind? Und ich «meinen» Kühen in der ungetrübten, schönen Natur mit dem Salzstreuer winken kann …?
- MINU
MINU@MINUBASEL.CH