Auch Schnappschüsse sind geschützt
28.08.2020 GesellschaftFOTOGRAFIE Darf ich meine Ferienbilder noch auf Facebook, Instagram oder Twitter verbreiten? «Ja, aber…» heisst seit dem 1. April die Antwort. Das neue Urheberrechtsgesetz schränkt dies ein.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Bisher waren vor allem professionelle ...
FOTOGRAFIE Darf ich meine Ferienbilder noch auf Facebook, Instagram oder Twitter verbreiten? «Ja, aber…» heisst seit dem 1. April die Antwort. Das neue Urheberrechtsgesetz schränkt dies ein.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Bisher waren vor allem professionelle Fotografinnen und Fotografen vom Thema Urheberrecht betroffen. Dass Personen, die auf einem Bild klar im Mittelpunkt und erkennbar sind, um ihre Einwilligung für die Publikation gebeten werden, ist normal. Zudem musste ein Bild einen «individuellen Charakter» aufweisen, um geschützt zu sein. Dieser Begriff ist jedoch sehr schwammig. Ist ein besonderer Lichteinfall oder Blickwinkel bereits «individuell»? Die verschärften Regeln gelten nun aber für jedermann. Was hat sich mit dem neuen Urheberrecht geändert?
Der Fussballklub und die Kaffeemaschine
Der wichtigste Punkt: Jedes Bild ist nun geschützt – egal, ob aufwändig vom Profi mit einer teuren Spiegelreflexkamera inszeniert oder als Schnappschuss mit dem Mobilphone in den Ferien geknipst. Damit entfällt grundsätzlich die Unterscheidung in geschützt oder nicht. Das heisst aber auch, dass der Fotograf oder allenfalls die Person auf dem Bild ihre Rechte besser verteidigen können. Das gilt für Printprodukte wie diese Zeitung, ist aber insbesondere in Zeiten von Social Media von Bedeutung. Einige Beispiele zeigen auf, wo der Fotograf oder Internetnutzer aufpassen sollte:
• Ich darf meine eigenen Bilder auf meinen Profilen posten, darauf abgebildete Personen müssen jedoch zuvor ihre Einwilligung geben. Das betrifft genauso meinen Trinkkumpan wie die Fussballmannschaft meines Vereins oder den minderjährigen Buben der Nachbarin. Bei Letzterem müssen die Eltern ihr Einverständnis geben.
• Die fotografierte Person kann verlangen, dass ein Bild gelöscht wird.
• Wenn ein Kollege in den Ferien ein Bild von mir knipst, darf ich das nur publizieren, wenn er als Urheber des Bildes die Erlaubnis dazu erteilt.
• Für einen Vortrag darf ich ein Bild aus dem Internet oder aus einem Buch benutzen, wenn es sich beim Publikum beispielsweise um eine Schulklasse handelt. Nicht erlaubt ist das Zeigen eines solchen Bildes bei einem kommerziellen Anlass, also beispielsweise einem Vortrag mit Eintrittspreis.
• Im privaten Rahmen darf ich fremde Bilder zeigen oder aufhängen, auch wenn der Fotograf dies nicht weiss. • Einen Beitrag auf Facebook darf ich bei mir verlinken, da das Bild und die Rechte weiterhin beim fremden Account bleiben.
• Für das Onlineinserat meines alten Kühlschranks darf ich ohne Bewilligung des Herstellers nicht sein Produktfoto von der Schweizer Website verwenden. Auch unspektakuläre Produktbilder fallen unter dieses Gesetz.
Bei Videos verhält es sich anders, dort gilt wie bis anhin, dass nur Aufnahmen mit «individuellem Charakter» urheberrechtlich geschützt sind.
Die möglichen Folgen
Vorsicht ist zu walten bei Bilddatenbanken, auch wenn diese die Gratisnutzung propagieren. Das Kleingedruckte der Geschäftsbedingungen sollte man immer genau lesen. Wie sich die Gesetzgebung im Alltag auswirken wird, werden erst Gerichtsurteile zeigen. Grundsätzlich kann jemand bestraft werden, wenn er ohne Erlaubnis fremde Bilder publiziert. Es gibt aber keine zentrale Stelle, die diese Rechte verwaltet. Jeder muss selbst aktiv werden, wenn er die ungerechtfertigte Nutzung seiner Arbeit vermutet. Die Erlaubnis und allfällige Nutzungsverträge mit Kostenfolge werden ausschliesslich zwischen Fotograf und Nutzer vereinbart. Das gilt auch für Bilder, die vor dem 1. April 2020 entstanden sind. Bei originellen Bildern endet übrigens die Schutzfrist 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, ohne individuellen Charakter bei 50 Jahren. Für vor dem 1. April 2020 publizierte Bilder muss nachträglich keine Einwilligung eingeholt werden.
Gefragt sind die Richter
Es gilt also: Wo kein Kläger, da kein Richter. Ist ein Kläger da, kann es allerdings je nach Vergehen durchaus teuer werden. Es drohen Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen, wenn ein Strafantrag gestellt wird. Der Tagessatz liegt zwischen 30 und 3000 Franken und die Höhe im richterlichen Ermessen. Auch auf Schadenersatz kann geklagt werden. Die entgangenen Lizenzgebühren für ein Bild sind allerdings in den meisten Fällen nicht sehr hoch. Nimmt man die Tarife von Bilddatenbanken als Grundlage, wird sich diese Gebühr im Bereich von einigen Hundert Franken bewegen. Hier müssen nun die Gerichte in konkreten Fällen die Leitplanken setzen. Einfacher und günstiger ist sicher, das Gespräch zu suchen und eine gütliche Einigung zu erzielen.
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