Von Kabul in die Arena
04.08.2020 Adelboden, SportMonawarshah Shahzad, Präsident des afghanischen Curlingverbands, reiste ins Lohnerdorf, um auf dem Eis an Technik und Abläufen zu feilen. Den Besuch ermöglicht hatte Martin Stucki, der sich während fünf Tagen um den Gast kümmerte.
MICHAEL SCHINNERLING
Monawarshah ...
Monawarshah Shahzad, Präsident des afghanischen Curlingverbands, reiste ins Lohnerdorf, um auf dem Eis an Technik und Abläufen zu feilen. Den Besuch ermöglicht hatte Martin Stucki, der sich während fünf Tagen um den Gast kümmerte.
MICHAEL SCHINNERLING
Monawarshah Shahzad spielte mit dem Curlingteam Adelboden einen Stein. Dabei gelang ihm ein «Double-Takeout.» Sofort wurde dies in den Sozialen Medien unter Afghanistan Curling Federation geteilt: Es ist Werbung für einen in Zentral- und Südasien weitgehend unbekannten Sport.
Spiel auf 2550 m ü. M.
Shahzad ist seit 2015 Präsident des Verbands und hat eine Pionierrolle in Afghanistan eingenommen. «Als ich anfing, Curling publik zu machen, wurde ich gefragt, was das sei», so Shahzad. Afghanistan und Curling, das scheint im ersten Moment ein Widerspruch zu sein. «Wir fahren von Kabul rund drei Stunden nach Bamyan, um auf 2550 m ü. M. unter freiem Himmel zu spielen», so der Präsident.
Auf dem Curlingrink in der Freizeitund Sportarena Adelboden wartete Curlingprofi Martin Stucki mit seinem Equipment. Gemeinsam mit Shahzad wurde dann zuerst an den Grundlagen und dann an der Technik gefeilt. Einzelne Situationen wie Abspiel und Sliding wurden auf Video festgehalten und anschliessend besprochen. Dieses Wissen will der Präsident zu Hause seinen Leuten vermitteln.
«Was Shahzad macht, ist eigentlich unglaublich. Er leistet in seinem Land Aufbauarbeit», erklärt Stucki. Der Swiss-Curling-Trainer und Nationaltrainer von Spanien ermöglichte den Aufenthalt des Afghanen. «Unter uns Curlern ist das normal so», findet Stucki bescheiden.
Bei null anfangen
Seit fünf Jahren wirbt der quirlige Präsident in Afghanistan für seinen Sport. «Ich versuche, Curling in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Der Weg ist jedoch sehr steinig», erklärte er. In vielen Länder-Verbänden klopfte der Präsident bereits an mit dem Anliegen, Equipment für seine Spieler zu erhalten. Norwegen schenkte zwar Steine, doch dann fehlte es an Geld für den Transport nach Afghanistan. «Normalerweise unterstützt der Weltverband einzelne Curlingverbände. Das geht hier aber leider nicht, denn das Geld wird überwiesen, und Monawarshah hat kein Konto in Afghanistan», konkretisiert Stucki.
Dass beim Curling Frauen mitspielen, ist der breiten Akzeptanz der Sportart in der islamischen Republik Afghanistan ebenfalls nicht unbedingt förderlich. Wegen Schengen ist das Reisen in andere Länder ausserdem erschwert. «Es braucht immer eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Monaten. Zudem kann man nur ausreisen, wenn man zu Wettkämpfen eingeladen ist», so der Präsident.
Mancher hätte wohl unter diesen Bedingungen das Handtuch geworfen. Shahzad sieht es als Herausforderung und findet in Stucki einen grossen Unterstützer. Dieser will seine Verbindungen nutzen, um weiteres Material für den Verband zu erhalten.
Was bleibt von den fünf Tagen?
«Die Leute sind alle sehr nett hier. Adelboden selber ist wunderschön. Und ich würde gerne mit meinem Team einmal zu einem Turnier in die Schweiz kommen», wünscht sich der Präsident. Der Curler kam mit Cracks wie Alina Pätz oder Sven Michel in Kontakt, Martin Stucki wird ihn weiterhin unterstützen. Und wer weiss, vielleicht geht ja der grösste Wunsch von Shahzad in Erfüllung: «Ich würde gerne mit einem Doppel-Mixed-Team und einer Mannschaft an den Olympischen Winterspielen 2026 in Italien teilnehmen.»
Wer Curlingmaterial zu Hause hat und dieses gerne spenden möchte, kann sich unter peakcurl@ gmail.com melden.
ZUR PERSON
Der 30-jährige Monawarshah Shahzad ist verheiratet und hat vier Kinder im Alter von zwei, vier, sechs und acht Jahren. Das Älteste geht mit einem Tisch-Curlingspiel auf Märkte und macht bereits Werbung für die Sportart. Shahzad ist seit zweieinhalb Jahren mit Martin Stucki befreundet.