Das Aus für einen Traditionsverein
18.09.2020 Frutigen, SportMit der Bestimmung, dass bis zum Jahr 2020 die Kugelfänge sämtlicher Schiessanlagen saniert werden müssen, zeichnete es sich bereits ab: Die Rohrbach-Schützen werden sich dereinst auflösen. Am 12. Oktober nun fällt der letzte Schuss im Rohrbach.
MARCEL MARMET
Mit der Bestimmung, dass bis zum Jahr 2020 die Kugelfänge sämtlicher Schiessanlagen saniert werden müssen, zeichnete es sich bereits ab: Die Rohrbach-Schützen werden sich dereinst auflösen. Am 12. Oktober nun fällt der letzte Schuss im Rohrbach.
MARCEL MARMET
«Geplant war, am 12. Oktober einen grösseren Anlass mit allen Schützen aus dem Amt Frutigen durchzuführen. Wegen Corona ist uns das Risiko aber zu gross, darum findet der allerletzte Ausschiesset der Rohrbach-Schützen nur vereinsintern statt», liess Präsident Werner Trachsel an der letzten ordentlichen Hauptversammlung der Rohrbach-Schützen verlauten. Anwesend waren knapp 20 SchützInnen in der gemütlichen Schützenstube. Sie repräsentierten den aktuellen Stand der Mitglieder, die noch aktiv an den Wettkämpfen im Rohrbach teilnehmen. Als bekannt wurde, dass bis zum Jahr 2020 die Kugelfänge aller Schiessstände saniert werden müssen, war für den Vorstand klar, dass dies das Ende der traditionsreichen Schützengesellschaft bedeuten würde. Die Gemeinde Frutigen zeigte sich bereit, den Scheibenstand auf dem «Hubelhaus» zu sanieren. Für Rohrbach jedoch fehlte das Geld. Über 40 000 Franken hätte die Sanierung der acht Scheiben gekostet. Zudem mangelt es dem Verein an Nachwuchs, da die Jungschützenkurse jeweils in Frutigen durchgeführt werden und die paar Jungen aus den Frutigspissen, die sich noch für den Schiesssport interessieren, dadurch beim Schützenverein Frutigen bleiben.
Einst die stärkste Gesellschaft beim Amtschiessen
Das war früher völlig anders. Aus Aufzeichnungen geht hervor, dass Ende des 18. Jahrhunderts sogar drei Schiessvereine in den Frutigspissen aktiv waren. Einer beim «Hohen Steg», einer an Gempelen und einer an Ried. Diese drei Vereine schlossen sich 1938 zur «Schützengesellschaft Rohrbach» zusammen. Im Jahr 1946 wurde das jetzige Schützenhaus errichtet. Aktuell zählen die Rohrbach-Schützen knapp 60 Mitglieder, wovon noch knapp die Hälfte aktiv am Vereinsleben teilnimmt – Tendenz ganz klar sinkend. In der Blütezeit um 1990 waren es rund 180 Mitglieder, und die «Rohrbacher» waren mit 16 teilnehmenden Gruppen am Amtschiessen die stärkste Gesellschaft im ehemaligen Amt Frutigen. «Wir konnten sogar eine reine Frauengruppe stellen», weiss Silvia Schmid, langjährige Sekretärin, zu berichten. 170 meist männliche Schützen schossen das «Obligatorische» im Rohrbach, und am Feldschiessen nahmen regelmässig rund 100 «Rohrbacher» teil. Auch aus sportlicher Sicht war der Verein immer erfolgreich. Zahlreiche Ehrengaben und Lorbeerkränze zieren die Schützenstube und zeugen von guten Leistungen an kantonalen und nationalen Wettkämpfen.
Das Oberländische als Triebfeder
Regelmässig wurde das Schützenhaus modernisiert und mit schalldämmenden Wänden und Decken versehen. Als 1998 das oberländische Schützenfest ins Amt Frutigen vergeben wurde, war für die «Rohrbacher» klar, dass sie mitmachen würden. Darum wurde eine elektronische Trefferanzeige installiert. Just in dieser Zeit wurde das Restaurant Rohrbach von der Familie Zimmermann an den Verein «Rohrbach Träff» verkauft. Für die Schützen war die Zukunft ihres «Stammlokals» ungewiss, und der Vorstand beschloss, eine Schützenstube unter dem Schützenhaus zu errichten. Mit viel Herzblut und unzähligen Stunden Fronarbeit entstand ein heimeliges Lokal, wo in vielen gemütlichen Stunden die sprichwörtliche «Rohrbacher» Kameradschaft gepflegt wurde.
Im Januar erfolgt die Auflösung
Das alles wird nach dem «Letzten Schuss» am 12. Oktober endgültig zu Ende sein. Wohl mit Wehmut werden Ende Oktober das Schützenhaus und die Schützenstube von freiwilligen Helfern ausgeräumt. Für die Trefferanzeige interessiert sich die Schützengesellschaft Reichenbach, die dasselbe System installiert hat. Die Schützenstube, die seinerzeit im Baurecht errichtet wurde, geht zu einem symbolischen Betrag an die Gemeinde Frutigen über, die auch das Schützenhaus besitzt. «Somit hoffen wir, die Rechnung mit einer schwarzen Null abschliessen zu können», tat Kassier Martin Trachsel an der Hauptversammlung kund. Die definitive Auflösung des Vereins wird Anfang nächsten Jahres an einer ausserordentlichen Versammlung stattfinden. In welchem Verein die verbleibenden aktiven Schützen ihrem geliebten Sport künftig frönen werden, bleibt jedem selbst überlassen. Von erfolgreichen «Rohrbachern» wird man indes in keiner Rangliste mehr lesen können.