KOLUMNE – PUNKTLANDUNG - Ist touristisches Tuttifrutti die Lösung?
15.09.2020 KolumneIst touristisches Tuttifrutti die Lösung?
Was wäre Zermatt ohne das Matterhorn? Der freistehende Berg ist Marke und Anziehungspunkt zugleich. Sein unverkennbares Profil macht ihn einzigartig. Er steht für den Walliser Tourismus. Mittlerweile bedient sich die ganze ...
Ist touristisches Tuttifrutti die Lösung?
Was wäre Zermatt ohne das Matterhorn? Der freistehende Berg ist Marke und Anziehungspunkt zugleich. Sein unverkennbares Profil macht ihn einzigartig. Er steht für den Walliser Tourismus. Mittlerweile bedient sich die ganze Schweiz des prägnanten Symbols.
Jetzt, wo viele nahe und fast alle fernen Märkte auf längere Zeit wegfallen, stellt sich die Frage, womit eine touristische Destination die Aufmerksamkeit der Schweizer Gäste auf sich lenken kann. Also: Was ist ihr Matterhorn? Was macht sie einmalig? Womit fällt sie auf? Woran orientieren sich zukünftige Gäste, die bis heute ihre Ferien genau dort verbrachten, wohin sie heute nicht mehr hinreisen können?
Packen wir die Krise als Chance: Schärfen wir unser Profil. Differenzieren wir uns von den Mitbewerbern mit originellem Auftritt und nachhaltigen – also langlebigen, zur Umwelt passenden und diese respektierenden – Angeboten.
Mit welchen soll das gelingen? Sich auf einige wenige bewährte Aktivitäten beschränken oder weitere hinzufügen in der Hoffnung, damit auch neue Gäste zu gewinnen?
Auf der Suche nach Antworten bin ich am 2. September auf ein Interview mit Urs Wagenseil vom Kompetenzzentrum Tourismus an der Hochschule Luzern gestossen. Er plädiert für Marketingaktionen und Angebotsinnovationen. Er warnt aber auch davor, überall mitzumischen, denn so riskiere man, «als Birchermüesli-Destination wahrgenommen zu werden».
Einen Tag später entdecke ich ein Gespräch mit Raphael Krucker, CEO der Andermatt Swiss Alps. Sie ist ein vertikal integriertes Unternehmen. Also etwas salopp ausgedrückt eine touristische «Tuttifrutti-Firma»: Der Feriengast erhält alle benötigten und die meisten gewünschten Leistungen aus einer Hand. Also Unterkunft in meist gekauften Wohnungen und Hotels, Bergbahnen in der Destination, Wellness-, Kultur- und Gastronomieangebote. «Das Paket funktioniert», hält er fest und schiebt nach: «Andermatt findet zunehmend Anerkennung als Ganzjahresdestination.» Und, für mich ganz wesentlich: «Andermatt ist keine reine Feriendestination, sondern auch ein Dorf, in dem Menschen ihren Erstwohnungssitz haben (also Einheimische). Wir wollen zukünftig noch mehr Eigentümer-Events organisieren, wo sie sich gegenseitig kennenlernen können. Schon heute gibt es immer mehr Neueigentümer und Erstwohnungsbesitzer, die sich einbringen wollen, um die Destination gemeinsam weiterzuentwickeln.» Das Einzigartige am Spirit von Andermatt sei das Miteinander, der Austausch mit der Gemeinde, den Einwohnern.
Ich bin überzeugt, darin liegt ein Schlüssel zum touristischen Erfolg auch in unsicheren Zeiten: Regelmässige Gäste hält und neue Gäste erreicht man mit Kreativität, die aus und mit der Initiative von Einheimischen und Stammkunden zu Innovationen führt. Dieses gegenseitige Anerkennen von gelebter Tradition der lokalen Bevölkerung und den von aussen eingebrachten Ideen ist die Basis für Erneuerung und Dauerhaftigkeit. Ob das dann zu Tuttifrutti oder Birchermüesli führt, kommt kaum drauf an.
KURT METZ
MAIL@KURTMETZ.CH