Träumen muss erlaubt bleiben

Wo diesen Sommer noch Kühe weideten, habe ich zusammen mit Mitgliedern des Turnvereins vor Wochen unter Anleitung eines Gärtners Berge von Humus verteilt. Fachmännisch wurde planiert und dann Rasen gesät, gehegt und gepflegt.
Wir sitzen zusammen, um zu planen, zum x-ten Mal. Nur dieses Mal ist es anders: Alle zusammen sind wir ahnungslos. Ahnungslos, wie oft uns dieses Virus noch einen Strich durch die Rechnung machen wird. Wir – das OK des Oberländischen Turnfestes vom kommenden Juni, das nun erneut weichen muss. Ich bin geknickt, traurig, hässig, enttäuscht. Grundsätzlich hätten wir Grund zur Freude. Das Anmeldefenster war offen und es schien, dass ich mein Bedürfnis nach Bewegung, Gemeinschaft im Verein und das Sich-Messen mit anderen im Wettkampf mit vielen teile. Seit Anfang Oktober trudelten stündlich neue Anmeldungen ein. Die Turnerwelt wollte das Kandertal im Juni 2021 in Turnerhand nehmen. Ein ganz normales Turnerleben in einer ganz normalen Welt. Vergangene Zeiten.
Aktuell kann ich diese stündlich gelieferten neuen Zahlen und Daten und die damit verbundenen Hiobsbotschaften nicht mehr hören. Ja, ich ertrage sie nicht mehr, und damit bin ich auch nicht allein.
Wir waren uns einig, dass wir trotz Krise positiv bleiben und weiterplanen. Aber jetzt …
Die drastischen Massnahmen des Kantons zur Bekämpfung der Pandemie machen uns ein weiteres Mal das Leben schwer. Tetrathlon, die Jubiläumsausgaben der Frutiglandgerätemeisterschaften und «Dr schnällscht Chandertaler», alle unsere langjährigen, wiederkehrenden und beliebten Anlässe fielen der Krone zum Opfer.
Und dann sitzen wir vor einer Powerpoint-Präsentation und sammeln Pro und Kontras. Wollen wir am Termin im Juni festhalten? Müssen wir verschieben? Keine einfache Sache, die viele weitere Fragen aufwirft. Nach eingehender Diskussion sind wir uns einig, dass wir alle ein grossartiges Fest auf die Beine stellen wollen. Ein Fest, auf das wir mit einem Blick zurück alle stolz sein wollen. Und so haben wir bald entschieden, dass wir verschieben und nicht absagen. Wir wollen unsere zahlreichen geleisteten Stunden in den einzelnen Ressorts nutzen und mit vollem Elan weitermachen. So setzten wir uns hin und überlegten uns, wie wir die Menschen draussen in der Turnerwelt und im Dorf informieren werden. Wir brauchten ein neues Datum, was gar nicht so einfach ist. Mehrere Wochenenden sind schon mit Terminen belegt.
Ich fühle mich leer. Als Sekretärin habe ich mit Abstand am wenigsten geleistet. Ich ziehe den Hut vor meinen OK-Gspändli, die nach monatelangem, intensivem Arbeiten nach wie vor sehr motiviert sind und überzeugt weitermachen wollen.
Dann schrieben wir gemeinsam eine Pressemitteilung (siehe auch Artikel unten), vereinbarten Termine und machten ab, wer wen informieren wird. Es sollte niemand vergessen gehen und alle mehr oder weniger gleichzeitig über unseren Entscheid informiert werden. Am nächsten Tag schrieb ich Dankeskarten im Namen des OK. Schon einige Menschen haben uns geholfen und ihnen soll «Merci» gesagt werden. Die Arbeit ging für uns alle schon einen Tag später weiter. Der Öffentlichkeitsverantwortliche versuchte, die Sponsoren bei Laune zu halten, und der Chef «Bau und Logistik» suchte Landwirte auf, die uns ihr Land zugesagt haben. Sie müssen wissen, was wir planen.
Auf meinem Weg ins Dorf fahre ich am Gymnastikfeld vorbei. Das aktuelle Herzstück. Der Beweis dafür, dass ich Teil einer tollen Truppe bin, die den Kopf nicht hängen lässt und Schritt für Schritt weitergehen will. Mit einem Ziel: Oberländisches Turnfest 2022. Es wird grossartig werden. Diesen Traum lassen wir uns nicht nehmen.

FRANZISKA KAUFMANN

FR.KAUF@GMAIL.COM

KOLUMNE – SPAGAT

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