Vierter Prozesstag: 17 Jahre Haft und 100 000 Franken Genugtuung gefordert

  08.10.2020 Frutigen

PETER SCHIBLI

Der erfolgreiche Unternehmer soll im Februar 2018 seine damalige Freundin durch eine schwere Gewalteinwirkung auf den Kopf getötet und die Spuren durch Anzünden der Wohnung des Opfers zerstört haben. Der Beschuldigte, der seit gut 2,5 Jahren in Untersuchungshaft sitzt, habe eine schwere Schuld auf sich geladen, egoistisch gehandelt und weder Reue noch Einsicht gezeigt.

Die Staatsanwältin ist der Meinung, dass nach wie vor Fluchtgefahr besteht, weil sich nichts an den Umständen geändert habe. Deshalb müsse der Beschuldigte weiterhin in Haft bleiben. Das Bundesgericht hatte die Untersuchungshaft wiederholt bestätigt.

Direkte Beweise für eine vorsätzliche Tötung und für die Brandstiftung liegen nach Aussage der Staatsanwältin im vorliegenden Fall keine vor. Es gebe aber neun starke Indizien für eine Täterschaft des Beschuldigten, die in der Gesamtbetrachtung mit direkten Beweisen gleichzustellen seien. Das Motiv für die Tat sieht die Anklägerin in der schwierigen persönlichen Beziehung zwischen Täter und Opfer.

Bei der Aufzählung der relevanten Indizien erwähnte die Staatsanwältin systematische Versuche des Beschuldigten ab dem 9. Februar 2018, den gewaltsamen Tod seiner Freundin durch das Legen falscher Spuren (per Handy) zu vertuschen. Auch habe er bei mehreren Personen unterschiedliche Unfälle, Verletzungen und Therapien seiner Freundin erwähnt, die sich widersprachen.

Gegen den Beschuldigten spricht laut Staatsanwältin auch der Umstand, dass er sich nach dem 8. Februar 2018 nicht mehr telefonisch bei seiner Partnerin meldete, obwohl sie sich vorher, während guten Zeiten, täglich via Handy schrieben.

Belastet wird der Angeklagte weiter durch die Tatsache, dass vermutlich er am 12. Februar 2018 abends mit einem Schlüssel an der Loge der Gemeindeverwaltung Frutigen vertrauliche Akten mit Notizen seiner Freundin deponierte. Diese arbeitete nämlich für die Gemeinde. Offenbar habe der Beschuldigte befürchtet, dass der Chef oder eine Arbeitskollegin versuchen könnten, die Akten am Wohnort des Opfers abzuholen und dabei auf die Leiche stossen würden.

Als weiteres starkes Indiz nannte die Staatsanwältin das mehrmalige Abschalten seines Mobiltelefons durch den Beschuldigten, der offenbar eine Ortung des Geräts verhindern wollte. Zeitpunkt des Abschaltens waren der Tag des Brandes und die Zeit seiner Flucht nach Frankreich.

Starke Indizien sind auch die Aussagen einer Zeugin aus Frankreich, der Beschuldigte habe sie um eine Kreditkarte und einen Unterschlupf für den Camper gebeten. Daraus schliesst die Anklägerin, dass sich der Angeklagte in Frankreich einer Strafverfolgung entziehen wollte. Gegenüber der Zeugin hatte der Beschuldigte nämlich erklärt, seine Freundin sei bei einem Brand in Frutigen umgekommen, und das zu einem Zeitpunkt, in dem der Tod seiner Partnerin in der Schweiz polizeilich gar noch nicht bestätigt war.

Klare Indizien für eine Schuld seien auch die Verweigerung seiner Aussage zu ihn entlastenden Punkten sowie das gesamte widersprüchliche Aussageverhalten des Beschuldigten.

Seitens der Familie des Opfers forderte der Anwalt der Privatkläger am Nachmittag des vierten Prozesstags eine Genugtuungssumme von total Fr. 100 000.- (Je Fr. 37 500.- für jeden Elternteil, je Fr. 12 500.- für jedes Geschwister) zuzüglich fünf Prozent Zins seit dem 8. Februar 2018. Der Betrag sei angemessen und gerechtfertigt, da die Familienangehörigen durch den Tod des Opfers unermessliches Leid und unbeschreibbaren Schmerz erlitten hätten.
Eine Forderung auf Zahlung von Schadenersatz stellte der Anwalt nicht. Die Last der neun Indizien aber sei in der Gesamtheit ausreichend für einen Schuldspruch. Der Beschuldigte, so die Einschätzung des Privatklägers, sei pysisch und intellektuell in der Lage gewesen, die grausamen Taten zu begehen.

Das Urteil des Kollegialgerichts wird in einer Woche erwartet.


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