«Ein Mix aus Freude und Wehmut»
03.11.2020 PorträtWährend ihres kompletten Berufslebens hat Margrit Rubin am Inforama in Hondrich angehende Bäuerinnen in Hauswirtschaft unterrichtet. Als Pensionierte blickt sie nun auf eine ereignisreiche und kreative Zeit zurück.
PETER ROTHACHER
43 Jahre am Inforama Berner ...
Während ihres kompletten Berufslebens hat Margrit Rubin am Inforama in Hondrich angehende Bäuerinnen in Hauswirtschaft unterrichtet. Als Pensionierte blickt sie nun auf eine ereignisreiche und kreative Zeit zurück.
PETER ROTHACHER
43 Jahre am Inforama Berner Oberland im selben Job – und nie wurde es langweilig: Dieses Fazit zieht Margrit Rubin aus Aeschi rückblickend. Denn jetzt ist die Hauswirtschaftslehrerin in Pension gegangen.
In Sachen Herausforderung habe sich der Kreis geschlossen, berichtet sie. «Als theoriestarke Lehrerin bekam ich es 1977 in Hondrich mit Auszubildenden zu tun, die oftmals älter und praxisorientierter waren als ich. Und jetzt zum Schluss das Corona-Jahr, in dem plötzlich Fernunterricht und ein versierter Umgang mit den neuen Medien gefragt waren.» Obschon sie sich nie gross für die elektronischen Hilfen interessiert habe, sei ihr aber auch das auf ihre Art gelungen. «Doch der persönliche Kontakt – speziell in der Sparte Familie und Gesellschaft – und die Diskussionen unter den Schülerinnen haben mir schon sehr gefehlt.»
Über tausend Frauen habe sie in den gut vier Jahrzehnten unterrichtet, schätzt Margrit Rubin. Mit einigen habe sie weiterhin Kontakt, und es seien auch Freundschaften entstanden. «Ganz besonders gilt das für Margrit Stäger, eine Kollegin seit der ersten Stunde: Als Lehrerin in der Sparte Ernährung hat sie zusammen mit mir angefangen und ist jetzt dementsprechend fast zeitgleich mit mir pensioniert worden.»
Zum Teil improvisiert
Nach der Lehrerinnenausbildung habe sich ihre Praxis auf die Erfahrungen von zu Hause und aus dem vorgängig absolvierten Haushaltungslehrjahr beschränkt, sagt Rubin. «Ich war als 21-Jährige nicht auf die Ausbildung Erwachsener vorbereitet und habe meinerseits von diesen viel dazugelernt.» Und so habe sie rasch begriffen, dass nicht alles nach Fachbuch gehen müsse und auch der Situation angepasste Entscheide zum Ziel führten. «Die Begründung musste stimmen, und selbst aus Fehlern kann man bekanntlich lernen. Entsprechend waren wir manchmal mit der ganzen Klasse gespannt, ob sich das Problem zum Guten wenden liess.»
Speziell im Bereich Familie und Gesellschaft habe sich die gemeinsame Lösungssuche später kreativ entwickelt: «Das ging so weit, dass Frauen mit Problemen von ihren Mitschülerinnen deren auf Zetteln formulierte Lösungsansätze als Geschenk erhielten. Selbst wenn nicht alles ernst gemeint war, konnte manchmal sogar Humor weiterhelfen.»
Allerdings seien ihr in der langen Berufsphase manchmal auch Sachen anvertraut worden, bei denen sie sich gefragt habe: «Gibt’s denn so was?» Nebst dem Zuhören sei in solchen Fällen eine Hilfestellung mit Unterlagen und Adressen professioneller Stellen nötig gewesen.
Öfters mal ausgetrickst
Margrit Rubin war zusammen mit ihrer Kollegin Margrit Stäger zusätzlich für die Führung des anfänglich obligatorischen Internats zuständig. Den angehenden Bäuerinnen wurde damals kein abendlicher Ausgang zugestanden. «Wir haben diese Verantwortung sehr ernst genommen und uns Respekt verschafft», erinnert sich Rubin. «Aber bei einem Treffen nach 40 Jahren mussten wir lachend konstatieren, dass wir lange nicht alles gemerkt hatten. Offensichtlich sind wir von den Frauen ab und zu ausgetrickst worden, indem sie sich über den Speisesaal oder den Keller hinausgeschlichen haben.»
Rubins Unterrichtsplan umfasste die Material- und Berufskunde, Familie und Gesellschaft, Reinigungstechnik und Textilpflege sowie das Wahlmodul Textiles Gestalten. Die sich verändernden Zeiten, Hilfsmittel und Geräte hatten auch Auswirkungen auf die Schülerinnen. «Sei es im Vollzeitlehrgang oder berufsbegleitend – die Frauen wurden auf eine gute Art selbstbewusster und offener. Wir begegneten uns auf Augenhöhe. Und ich freute mich stets, wenn unter den Absolventinnen mit unterschiedlichem Berufshintergrund ein wachsendes gegenseitiges Verständnis festzustellen war.» Für sie als Lehrerin sei es eine Herausforderung gewesen, allen Mentalitäten – auch den stillen – die gleiche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
In Bewegung bleiben
Neben dem Job in Hondrich hatte Margrit Rubin nach ihrer Heirat eine wachsende Familie mit schliesslich drei Söhnen zu betreuen. Auch der landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetrieb gab viel zu tun. «Vor dem Vieh hatte ich damals einen Höllenrespekt», erinnert sich die nun Pensionierte. «In jener Zeit war ich voll ausgelastet und kam an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit.»
Vor zwei Monaten hat Margrit Rubin das Berufsleben abgeschlossen. Und wie fühlt sie sich jetzt? «Zuerst war es wie Ferien – aber jetzt vermisse ich bereits den Umgang mit all den Menschen. Andererseits habe ich nun wieder Zeit für den Turnverein, fürs Wandern, Schwimmen, Lesen und Reisen.» Wegen der Corona-Situation habe sie leider bereits eine geplante Reise nach Russland verschieben müssen. Aber sie hege noch einen anderen Traum: «Das Absolvieren des Trans Swiss Trails von Porrentruy nach Mendrisio…»
Mehr zu den Berufen «Bäuerin mit Fachausweis» respektive «Höhere Fachprüfung diplomierte Bäuerin»: www.frutiglaender.ch/web-links.html