Fieberhafte Faktensuche
13.11.2020 Kandergrund, Blausee, MitholzDie Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem Fischsterben sind seit September öffentlich, objektive Beweise dafür fehlen aber bis heute. In dieser Phase der Ungewissheit bemühen sich alle Parteien um die Deutungshoheit – aktuell ist die Vigier Holding AG an der ...
Die Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem Fischsterben sind seit September öffentlich, objektive Beweise dafür fehlen aber bis heute. In dieser Phase der Ungewissheit bemühen sich alle Parteien um die Deutungshoheit – aktuell ist die Vigier Holding AG an der Reihe.
JULIAN ZAHND
An Messungen mangelt es nicht: Bereits im September legte die Blausee AG Ergebnisse eigener Wasserproben vor. Die Resultate würden auf einen Zusammenhang zwischen illegal deponiertem Gleisaushub in Mitholz und dem Fischsterben im Juni schliessen lassen, hiess es in einer Medienmitteilung.
Weitere Erhebungen lieferten jedoch ganz andere Resultate: Das Material sei nicht stark verschmutzt gewesen, sagte das kantonale Amt für Wasser und Abfall, eine Auswirkung auf die Umwelt daher unwahrscheinlich. Die Steinbruch + Hartschotterwerk Blausee-Mitholz AG ging noch einen Schritt weiter: Aufgrund eigens in Auftrag gegebener Proben könne ein Zusammenhang mit dem Fischsterben ausgeschlossen werden.
Die entlastenden Ergebnisse wurden von der Blausee AG postwendend als unglaubwürdig und fehlerhaft bezeichnet: Sowohl das Amt für Wasser und Abfall wie auch die Steinbruchbetreiberin seien in den Fall involviert, die Objektivität der Ergebnisse daher zu bezweifeln.
Umfassende Untersuchung der letzten neun Jahre
Die Vorkomnisse werden derzeit von der Staatsanwaltschaft untersucht, auch die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates hat sich mittlerweile eingeschaltet. Die betroffenen Firmen hält dies aber nicht davon ab, weiter eigene Nachforschungen anzustellen. In einer Medienmitteilung kündigt die Vigier Holding AG, deren Tochterfirma den Steinbruch in Mitholz betreibt, «umfassende Untersuchungen der Entsorgung von Gleisaushub in den Jahren 2012 bis 2020» an. Konkret nimmt Vigier alle Abläufe rund um die Anlieferung, Weiterverarbeitung, Ablagerung und Entsorgung von Gleisaushubmaterial ins Visier – und zwar nicht bloss jene, die im Zusammenhang mit der aktuellen Tunnelsanierung stehen, sondern gleich die Tätigkeiten der letzten neun Jahre. Denn auch im Zeitraum zwischen 2012 und 2019 lieferte die BLS insgesamt rund 15 800 Tonnen Gleisaushub aus verschiedenen Baustellen an. Welche Mengen wie und wo entsorgt wurden, sei Gegenstand der Untersuchung.
«Die Vorkommnisse sind uns nicht egal»
Im Pressecommuniqué weist Vigier erneut alle Vorwürfe von sich. «In letzter Zeit wurden viele grobe Aussagen gemacht, die aus unserer Sicht nicht erhärtet sind», sagt Didier Kreienbühl, verantwortlich für die Unternehmenskommunikation. Man wolle mit der angekündigten Untersuchung Fakten schaffen und den Spekulationen ein Ende setzen. Wann erste Ergebnisse erwartet werden können und wer für die Untersuchung verantwortlich sein wird, kann Kreienbühl zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ob die interne Faktensuche erfolgreich verlaufen wird, ist fraglich, und noch mehr, ob diese überzeugen kann Denn das Problem bleibt dasselbe: Die Auftraggeberin Vigier ist von der Geschichte direkt betroffen und daher nicht neutral. Dabei sind mit Justiz und Legislative aktuell jene Instanzen mit dem Fall betraut, die genau diese Neutralität gewährleisten sollen. Warum reicht das Vigier nicht? Man begrüsse auch die laufenden Untersuchungen und kooperiere mit allen Beteiligten, sagt Kreienbühl. Nun wolle das Unternehmen aber seinen Teil zur Aufklärung beitragen und auch signalisieren: «Die Vorkommnisse sind uns nicht einfach egal, wir nehmen die Angelegenheit sehr ernst. »
Dass ihre Ergebnisse die Gegenseite nicht umstimmen werden, dürfte derweil auch Vigier klar sein. So oder so geht es bei der Aktion vorderhand auch um eine Imagepolitur. Was durchaus nachvollziehbar ist, denn rufschädigend sind die erhobenen Vorwürfe allemal – egal, ob sie sich als richtig oder falsch erweisen werden.