HAUSGEMACHT - Es Värsli
27.11.2020 KolumneEs Värsli
Meine Grossmutter hatte es nicht so mit dem Lesen. Sie war eine Bauersfrau und arbeitete von früh bis spät. Wenn sie mal las, dann am liebsten kurze und, wenn möglich, berndeutsche Erzählungen.
Bei uns zu Hause war diese Art von Literatur eher rar, meine ...
Es Värsli
Meine Grossmutter hatte es nicht so mit dem Lesen. Sie war eine Bauersfrau und arbeitete von früh bis spät. Wenn sie mal las, dann am liebsten kurze und, wenn möglich, berndeutsche Erzählungen.
Bei uns zu Hause war diese Art von Literatur eher rar, meine Eltern fanden die Texte mühsam zu lesen und monierten die nicht existierende Rechtschreibung im Schweizer Dialekt.
So beschränkte sich mein Konsum von Dialektbüchern auf die Ferien bei den Grosseltern. Ich genoss das Lesen in meiner Sprache. Die Texte berührten mich auf eine andere Art, als das hochdeutsche Texte vermochten. Irgendwie ging dieses geschriebene Berndeutsch direkt in mein Herz.
Vielleicht ist diese Kindheitserinnerung mit ein Grund dafür, dass ich besonders an Weihnachten Geschichten in Dialekt liebe.
Eine berndeutsche Geschichte zum 1. Advent
We Tage sy chürzer worde u dr erscht Schnee a d'Schibe pöpperlet het, hei mir Ching müesse Wiehnachtsgschänk baschtle. Bis mer aube de gwüsst hei, was mir dene Gotte u Göttine wei schänke … natürlech hei mer ds Jahr us geng öppe wieder einisch gseit «das wäri de e gueti Idee für z Wiehnachte», aber natürlech isch die Idee nieneme gsy, we mer se de schlussändlech b ruucht hätte. U so het die «Gschänkusstudiererei» o scho viu Zyt i Aspruch gno.
Irgendeinisch hei mer aber de gwüsst, was mer wei mache u de si mer mit vouem Iifer derhinger, ömu no bim erschte Gschänk. Bim zwöite het's de scho chli lenger duuret u vorem dritte hei mer ä längi Erholigspouse bruucht. I dene Momänt hani nid chönne verstah, wie dass me amne Ching zwo Gottene u zwe Göttine cha gä u für d Grosseltere hei mer ja de o no müesse baschtle!
Irgendeinisch sy de die Wiehnachtsgschänk doch fertig worde u mir Ching hei Fröid gha u sy meischtens sogar chli stouz gsy uf üsi Arbeit.
Während dere ganze Adventszyt hei mir o geng müesse es Värsli lehre. «Weisch, dr Grossvati het soo Fröid, we dir ihm es Värsli ar Wiehnachte ufsäget.»
U so het me haut o no es Värsli glehrt. Begeischterig isch bim Üebe am ne chliine Ort gsy. Ds Muetti het de geng öppe müesse korrigiere u witer häufe. Einisch hei mer zlangsam u de wieder zschnäu gredt, zweni dütlech u de wieder zliisli. Es isch e harzegi Sach gsy das cheibe Värsli.
Ändlech isch de dä 24. Dezämber da gsy. Mir früsch badete Ching hei die nöie Hose oder ds nöie Röckli u ds nöie Blusli dörfe alege. Aui schön verpackte Gschänk im grosse Chorb hei mer iglade i ds Outo, ds Dessärt het öpper müesse ufe Schoss näh u het dr Uftrag übercho i jedere Kurve de ja guet zluege, dass d'Creme nid überus schwappet. D'Amaryllis für ds Grossmuetti het dr Biifahrer zwüsche d Bei übercho. So isch üsi Familie vom Oberland gäge ds Ungerland gfahre. Mir heis chuum chönne erwarte, bis mer ändlech bi de Grosseutere achöme. Ds Obligate «geits no lang?», isch no flissiger aus süsch gäge füre grüeft worde.
Ufem Burehof acho, het üs Chind nümme chönne haute, inegstürmt symer, zum Grossmuetti u zum Grossvati, hei wöue gseh, wie dr deckt Tisch usgseht u hei wöue ga luege, wär scho aues da isch.
E Ruum vou Fröid; aui sy da gsy, die ganzi Familie, es het fein gschmöckt u d'Cherzli ufem Tisch hei o scho brönnt. Lut isches gsy, me het sech ja müesse begrüesse u aui hei viu zverzeue gha.
Ds feine Znacht hei aui grüemt u nachdäm me bim dritte Mau «ehh gäu, du masch doch sicher no chli?», sech het chönne düresetze u nümme het übercho, het o ds Grossmuetti gloubt, dass itz würklech niemmer me Hunger het.
Du ischer da gsy, dr gross Momänt. «Mir gö itz i di schöni Stube», het dr Grossvati gseit. I die schöni Stube isch me höchscht säute einisch, aber ar Wiehnachte isch ir schöne Stube ds B öimli gsi. U das het itze glüüchtet, d Cherzli hei brönnt u die rote Chugele mit üsne Backe um d Wett gstrahlet.
Zäme hei mer Wiehnachtslieder gsunge u nachem «Stille Nacht» isch ändlech üses Värsli a dr Reihe gsy. E chli schüüch hei mir vortreit, was mir die letschte Wuche güebt hei. Dr Grossvati het nid viu gseit, aber mir hei gseh, dass mir ihm dermit e grossi Wiehnachtsfröid hei chönne mache.
Ändlech hei o mir Ching üser Päckli dörfe uspacke u die säuber baschtlete Gschänkli verteile. Vor fiirleche Stiui vo vorhär isch nümme viu übrig gsy, derfür isch die schöni Stube erfüut gsy mit fröhlecher Glückseeligkeit u die hei mer no am nächschte Tag i üs treit, wemer bluttfuess i de nöie Pyjama mit au üsne Gschänk gspiut u derzue am Grossvati sis Värsli vor üs här plapperet hei.
BARBARA JOST
BAEBU.JOST@BLUEWIN.CH