EIN SCHWARZER TAG FÜR DIE FREIHEIT
Heute ist also «Black Friday» – der Tag, an dem ich laut Organisatoren «alles absagen sollte, was ich vorhatte». Die Rabattorgie, an der sich zahlreiche Anbieter beteiligen, ist offenbar zeitaufwendig.
Ich werde bei diesem ...
EIN SCHWARZER TAG FÜR DIE FREIHEIT
Heute ist also «Black Friday» – der Tag, an dem ich laut Organisatoren «alles absagen sollte, was ich vorhatte». Die Rabattorgie, an der sich zahlreiche Anbieter beteiligen, ist offenbar zeitaufwendig.
Ich werde bei diesem Konsumwahn sicher nicht mitmachen. Schliesslich sind wir längst im Postmaterialismus angelangt: Selbstverwirklichung statt Schnäppchenjagd. Eine Wohnung voller Ballast – eh nicht mein Ding.
Ich schaue heute also aus sicherer Distanz dabei zu, wie die Nimmersatten vergeblich versuchen werden, ihren Kaufhunger zu stillen. Sklaven der Begierde, tragisch ist das. Und dann werde ich tags darauf besonnen meine Bedürfnise decken ...
... doch Moment: Darf man das denn überhaupt? Schliesslich folgt auf den «Black Friday» traditionsgemäss dessen Gegenspieler, der «Kauf-nix-Tag». Und auf diesen folgt dann ausgerechnet der Sonntag – das wären dann also drei Tage ohne Konsum. Muss man sich auch erst mal leisten können, sowas.
Heute ist «Black Friday», und ich werde da sicher nicht mitmachen. Ich werde bloss rasch in die Stadt gehen und mir das Wichtigste zum Leben besorgen. Und vielleicht noch etwas vorausschauend konsumieren. Denn wenn ich schon mal vor Ort bin, wäre es ja irrsinnig ineffizient, nicht gleich alles auf einen Schlag zu erledigen. Da scheint es mir ausnahmsweise sogar angebracht, das Auto aus der Garage zu befreien – und zwar das mit viel Stauraum. Viel besser als zahlreiche Lieferungen von Onlineanbietern, da werden mir Ökologen beipflichten. So einfach geht Umweltschutz.
Vor allem aber erlaubt mir der heutige Einkauf die morgige Fastenzeit. Denn die will ich unbedingt einhalten. Ich finde Aktionen wie den «Kauf-nix-Tag» nämlich enorm wichtig.
Wie sagte Gandhi einst: «Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.» Zum Glück verfügt der Mensch immerhin über die Gabe, sein Tun zu reflektieren. Sonst würde sich ja nie was ändern!
So, ich muss dann mal los. Heute ist «Black Friday». Und die Angebote sind schon ziemlich krass.
JULIAN ZAHND
J.ZAHND@FRUTIGLAENDER.CH