JAHRESRÜCKBLICK 2020 Juli-Dezember
31.12.2020 GesellschaftJULI
Für den Tourismus beginnt der Sommer vielversprechend: Mangels Alternativen zieht es Schweizer Feriengäste massenhaft in die Region. Das läuft mancherorts nicht ohne negative Begleiterscheinungen ab. So hat insbesondere Kandersteg mit ...
JULI
Für den Tourismus beginnt der Sommer vielversprechend: Mangels Alternativen zieht es Schweizer Feriengäste massenhaft in die Region. Das läuft mancherorts nicht ohne negative Begleiterscheinungen ab. So hat insbesondere Kandersteg mit Parkplatzproblemen und Wildcampern zu kämpfen. Bei diversen Sportevents normalisiert sich die Lage nun ein wenig. So kann, wenn auch mit einigen Einschränkungen, etwa der Vogellisi-Berglauf stattfinden (bei dem OK-Chef Jonathan Schmid wieder einmal alle hinter sich lässt). Auch andernorts wird gelaufen: Am Swissalpine Davos K43 läuft die Kanderstegerin Natascha Baer an die Spitze. Doch nach wie vor sorgt das Coronavirus für Unsicherheit. So muss das schon einmal verschobene Oberländische Schwingfest in Frutigen endgültig abgesagt werden. Auch die traditionellen Aabesitze in Adelboden fallen erstmals seit Jahrzehnten aus. Der Juli ist auch ein Monat der Abschiede. Mit dem Verkauf des Hotel-Restaurants Rustica verschwindet auch eine erinnerungsreiche Kulturinstitution: das Rustico Pub. Und nach 15 Jahren ziehen sich Rita und Bernhard Egger als Gründer und Verleger des «Frutigländers» zurück. In ihre Fussstapfen treten Richard Müller als Verleger und Martin Hasler als Verlagsleiter.
AUGUST
Was sich schon länger abzeichnete, wird durch Corona beschleunigt: Zum 1. August verzichten die meisten Frutigländer Gemeinden auf das klassische «Ansprache-Feuerwerk-Modell». Im Lauf des Monats wechseln mehrere Traditionsbetriebe den Besitzer. Das Adelbodner Kino Rex geht in neue Hände über, das «Blaukreuz-Heim» in Aeschiried ebenso, und im Kiental wird das Hotel Bären verkauft. Andernorts stehen keine Verkäufe, sondern Sanierungen im Vordergrund. Im Frutiger Hallenbad müssen die maroden Beckenfliesen ersetzt werden, in Aeschi wird der Kirchturm instand gesetzt. Mitte August kommt es in Kandersteg zu einem Murgang, der mehrere Verletzte fordert. Schuld war allerdings nicht der Spitze Stein, sondern ein Unwetter und zwei über die Ufer getretene Bäche. Auch in der Politik ist einiges los. SVP-Chef Albert Rösti schafft es mit Verspätung, sein Amt an Marco Chiesa abzugeben, und in vielen Oberländer Gemeinden regt sich Widerstand gegen die neuen amtlichen Werte. Während Sportvereine wie der FC Frutigen den Trainingsbetrieb wieder aufnehmen, werden nach und nach sämtliche Frutigländer Märit-Anlässe vorsorglich abgesagt.
SEPTEMBER
Auch in diesem Jahr findet das Swiss Chamber Music Festival statt. Mit coronakonform reduziertem Programm, dafür aber mit umso originelleren Auftritten, etwa im leeren Becken des Gruebi-Bads. Auch sonst gibt es aus Adelboden Erfreuliches zu melden: Die BAAG schliesst das Geschäftsjahr mit einem guten Ergebnis ab. Kandergrund dagegen kommt nicht aus den Negativschlagzeilen. Mit mehreren ausverkauften Konzerten von Patent Ochsner am Blausee hatte der Monat noch ausgelassen begonnen. Wenige Tage später erschüttert ein Umweltskandal die Gemeinde. Der Verdacht: Schadstoffe von der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels sollen in der Fischzucht am Blausee ein Massensterben von Forellen verursacht haben. Ein etwas kleinerer Skandal erreicht etwa zur gleichen Zeit Reichenbach. Weil eine schweizweit operierende Praxiskette zahlungsunfähig ist, steht auch eine örtliche Hausarztpraxis vor dem Aus. Ende des Monats steht dem Land ein Super-Abstimmungssonntag bevor. Die Neuanschaffung von Kampfflugzeugen und die Begrenzungsinitiative sind nur zwei der Themen, die das Land bewegen wie lange nicht. Die Diskussion um das Jagdgesetz holt Politprominenz bis ins Ueschinental, wo die Grüne Aline Trede engagiert mit Albert Rösti (SVP) über den Wolf diskutiert. Eher still muss die Chemihütte in Aeschiried ihr Jubiläum feiern: 50 Jahre alt wird das Restaurant.
OKTOBER
Kaum sind alle Lockerungsschritte in Kraft, beginnt der Kanton die Zügel schon wieder anzuziehen, unter anderem mit einer flächendeckenden Maskenpflicht. Die Pandemie hat auch Einfluss auf den Adelbodner Weltcup. Wie bekannt wird, soll der 2021 erstmals ohne Zuschauer stattfinden. Apropos Skifahren: Unverdrossen arbeiten die Schneefarmer an Tschenten an ihrer Piste. Rund 80 Prozent des Altschnees haben den Sommer dank Snowfarming überlebt. Die Frutigerin Michelle Brügger holt an den Schweizermeisterschaften im Voltigieren auf ihrem Pferd Ringo Star die Goldmedaille. Das gleiche Metall sichert sich der Adelbodner Nathan Schmid: An den SwissSkills reicht es dem jungen Zimmermann für Gold. In Aeschi kann die Trachtengruppe ihren 75. Geburtstag begehen – die Feier wird allerdings aufs neue Jahr verschoben, genau wie das Oberländische Turnfest, das man 2021 in Frutigen hatte durchführen wollen und das nun auf Sommer 2022 verlegt wird. Doch einiges kann auch stattfinden. Stiller Has machen in der Badi Lounge Station, auf der Tellenburg feiern Ritter, Cowboys und Gaukler, und erstmals findet der «King of Elsigen» statt, ein Ausdauerwettbewerb, der zu Fuss oder mit dem Velo absolviert werden darf. Die Rigips AG gibt bekannt, dass der Standort Krattigen / Leissigen an die Vigier-Tochter Kiestag verkauft wurde. Und in Thun endet der Brandstifter-Prozess um ein Tötungsdelikt in Frutigen mit einem Schuldspruch.
NOVEMBER
Der Monat beginnt mit einer guten Nachricht. Die Spitäler fmi AG übernimmt die Reichenbacher Arztpraxis von «MeinArzt Schweiz». Hausärztin Mirela Mondescu, die eigentlich schon aufgegeben hatte, kann bleiben. Weniger gut läuft es für die Freizeit- und Sportarena Adelboden (FSA). Obwohl die Gemeinde zuvor ihre Beiträge erhöht hatte, schaffte es der Betrieb wieder nicht ganz in die schwarzen Zahlen. Gut möglich, dass die Orte im Tal es irgendwann bedauern, vor einigen Jahren keine gemeinsame Eishallen-Lösung angestrebt zu haben. So etwas wie eine Fusion versucht nun allerdings ein Frutiger Musikverein. Die bisherige Jugendmusik will ihr Einzugsgebiet ausdehnen und so dem Nachwuchsmangel begegnen, der auch andere Musikgesellschaften plagt – ein Vorhaben, das auf gemischtes Echo stösst. Während es beim Kandersteger Museumsprojekt nach wie vor harzt, wird in Kanderbrück das Zündhölzlimuseum fertiggestellt. Einzig die Corona-Situation verhindert, dass das neue Angebot fürs Publikum eröffnet werden kann. Und eine weitere Attraktion fällt dem Virus zum Opfer: Die Kandersteger Belle-Epoque-Woche wird vorsorglich abgesagt. In Aeschi wird derweil investiert. Einerseits in eine Schneelanze in der unteren Allmend, welche die Langlaufloipe versorgen soll. Andererseits muss die baufällige Kanderbrücke bei der Niesen-Talstation ersetzt werden, was die Gemeindeversammlung bewilligt. Politisch ist Entspannung angesagt. Die Kontrahenten im Blausee-Umweltskandal setzen sich gemeinsam an einen runden Tisch und reden mit- statt übereinander. Und Regierungsrätin Evi Allemann trifft sich in Frutigen mit Lokalpolitikern und der Regierungsstatthalterin, um über die Kritik der Gemeinden am Amt für Gemeinden und Raumordnung zu sprechen.
DEZEMBER
Was im ersten Halbjahr kaum jemand für möglich gehalten hatte, tritt nun ein: Am 6. Dezember feiert der «Frutigländer» seinen 15. Geburtstag. Zwei Auszeichnungen gehen in diesem Monat ins Frutigland. Für ihre Pionierarbeit bei der Biogasgewinnung erhalten Niklaus Hari und Pius Allenbach von der Haral GmbH Reichenbach den Berner Unternehmenspreis Neue Energie. In einem ganz anderen Sektor setzt sich Shana Frezza aus Frutigen durch: Sie wird die neue Miss Bern. Während mit dem Schlittenhunderennen und den Nordic Days zwei weitere Kandersteger Anlässe 2021 abgesagt werden, kommt vom Schwingsport eine gute Nachricht: Das «Oberländische» macht doch noch Station in Frutigen, wenn auch erst im Jahr 2023. Gleich zwei altgediente Gemeindepolitiker scheiden Ende Dezember aus dem Amt: Jolanda Luginbühl in Aeschi und Urs Weibel in Kandersteg. Dort muss die Kunsteisbahn um ihr Fortbestehen zittern – ähnlich wie bei der Adelbodner FSA sieht auch ihre finanzielle Zukunft alles andere als rosig aus. Gewählt wird in Reichenbach, wobei die beiden «Spitzenjobs» von zwei Bisherigen besetzt werden: Der parteilose Willy Matti bleibt Gemeindepräsident; schon im August wurde Hansueli Mürner (FDP) in seinem Amt als Gemeinderatspräsident bestätigt. Zum Monatsende hin werden die Debatten erneut von den Corona-Massnahmen beherrscht. Kirchgemeinden, Spitäler, Restaurants und Bergbahnen – sie alle müssen sich mit den neuen Auflagen der Behörden arrangieren. In den Skigebieten führt das beispielsweise dazu, dass Wintersportler am Pistenrand picknicken müssen – die Beizen sind geschlossen. Immerhin: Das turbulente Corona-Jahr 2020 endet mit dem Beginn der Impfaktion gegen das Virus.
MARK POLLMEIER