(K)EINE NEIDKOLUMNE
Kinder, vor allem die jüngeren, haben einen unverstellten Blick auf die Welt. Wenn sie zum Beispiel einen Menschen sehen, der an einer Ecke steht und bettelt, dann berührt sie das. Ihr erster Impuls ist, dem anderen zu helfen. Wie der in diese Lage gekommen ist, ob er ...
(K)EINE NEIDKOLUMNE
Kinder, vor allem die jüngeren, haben einen unverstellten Blick auf die Welt. Wenn sie zum Beispiel einen Menschen sehen, der an einer Ecke steht und bettelt, dann berührt sie das. Ihr erster Impuls ist, dem anderen zu helfen. Wie der in diese Lage gekommen ist, ob er gar selbst Schuld hat an seinem Schicksal – solche erwachsenen Fragen stellen sich die Kleinen nicht. Nun heisst es ja in der Bibel, wir alle sollen werden wie die Kinder, und so erlaube ich mir manchmal ganz kindliche Emotionen. Zum Beispiel wenn ich mir das Vermögens ranking anschaue, das soeben wieder im Wirtschaftsmagazin «Bilanz» erschienen ist. Was lese ich da? Selbst im Corona-Jahr konnten die 300 reichsten Bewohner der Schweiz ihr Vermögen um 5 Milliarden auf 707 Milliarden Franken vermehren. An der Spitze stehen wie immer die drei Gebrüder Kamprad (IKEA). Mit dem Verkauf von Pressspan-Möbeln haben sie inzwischen 55,5 Milliarden Franken angehäuft, das meiste davon geerbt. Unter den Top 5 rangiert auch eine Familie Blocher. Die besitzt laut «Bilanz» zwar nur 15,5 Milliarden Franken, darf sich dafür aber Aufsteiger des Jahres nennen. 2020 schlies sen Blochers nämlich mit einem Plus von 4,4 Milliarden ab. Angesichts solcher Zahlen stockt mir ganz kindlich-naiv der Atem.
Falls Sie, liebe Hobbyökonomen, nun schon das Mailprogramm geöffnet haben, um mir zu schreiben: Sparen Sie sich die Mühe! Ich bin sicher, alle diese Multimilliardäre sind extrem fleis sige Leute. Sie tragen bestimmt gros se Verantwortung und schaffen im besten Fall Tausende Arbeitsplätze. Ich weiss auch, dass ich ihnen dankbar sein muss. Immerhin leben sie ja in der Schweiz und zahlen hier ihre üppigen Steuern (wenn auch häufig zu recht günstigen Tarifen). Zudem ist ihr Vermögen grösstenteils gebunden. Und doch finde ich es verstörend, dass 300 Familien das Zehnfache des Bundes haushalts besitzen.
Weil aber Wohlstand in der Schweiz keine Schande ist, gilt die Solidarität des Staates eben auch diesen 300 Reichsten – zum Beispiel Christoph Blocher, der gerade ein nachträgliches Ruhegehalt von 1,1 Millionen Franken erhalten hat. Bleibt nur die naive Frage, ob er diesen Zustupf auf seinem Konto überhaupt wahrgenommen hat.
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH