ZAHLEN IN WORTEN - Wie auf Erden, so im Himmel
11.12.2020 KolumneWie auf Erden, so im Himmel
In der Weihnachtszeit geht es ja allbott um den Himmel und was da oben alles schwebt und uns Freude beschert. Nebst Engelscharen fliegen mittlerweile aber auch eine ganze Menge menschgemachter Dinge im Erdorbit.
Da sind die ...
Wie auf Erden, so im Himmel
In der Weihnachtszeit geht es ja allbott um den Himmel und was da oben alles schwebt und uns Freude beschert. Nebst Engelscharen fliegen mittlerweile aber auch eine ganze Menge menschgemachter Dinge im Erdorbit.
Da sind die Navigationssatelliten, von denen alle profitieren, die ein Handy oder ein Navi im Auto haben. Da sind Telekommunikationssatelliten, die über dem immer gleichen Teil der Erde schweben und deren BewohnerInnen mit Fernsehbildern und anderen Medieninhalten versorgen. Da sind Satelliten auf wissenschaftlicher Mission, die unsere Erde unter die Lupe nehmen oder das Universum vermessen. Da ist die Internationale Raumstation, die in etwa 400 Kilometern Höhe um die Erde kreist und seit genau 20 Jahren permanent von Menschen bewohnt ist.
Und dann ist da ganz, ganz viel Schrott. Die Menschen haben vor mehr als sechzig Jahren begonnen, Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen. Seither werden es stetig mehr. Zuletzt hat die Zahl der Satelliten so rasant zugenommen, dass einige Astronomen nun von einer «Verschmutzung des Nachthimmels» sprechen.
Das eigentliche Problem beginnt dann, wenn ein Satellit ausgedient hat: Der Treibstofftank ist leer oder hat ein sonstiges Problem und lässt sich nicht mehr steuern. Dann kreist er weiterhin um die Erde – potenziell auf Kollisionskurs mit anderen Satelliten. Was geschieht, wenn zwei Satelliten zusammenstossen, konnte schon mehrmals beobachtet werden: Übrig bleiben von diesen hochtechnologischen Fluggeräten nur zahlreiche Einzelteile – Schrott eben. Und dieser bleibt mehr oder weniger für immer da oben. Der Platz im Himmel ist zwar weitläufig, aber wie auf Erden eben doch beschränkt – und es wird immer enger.
Ein guter Vergleich ist eine grosse Autobahn, auf der alle Pannenfahrzeuge einfach stehen gelassen werden. Wer weiterfahren möchte, besorgt sich ein neues Auto. Und wer durch will, muss halt links und rechts an den kaputten Autos vorbeizirkeln.
Dass man im Himmel in absehbarer Zeit aufräumen muss, leuchtet ein. Aber anders als für Elektroschrott in der Schweiz gibt es im Erdorbit keine Regeln, wie man einen alten Satelliten fachgerecht zu entsorgen hat. Zudem sind die logistischen und finanziellen Hürden gross. Um einen dysfunktionalen Satelliten loszuwerden, muss man wiederum ein anderes Weltraumgefährt starten und damit Jagd machen auf das Schrottteil. Genau dies zum Ziel hat die Mission ClearSpace-1, die von der Europäischen Weltraumorganisation ESA kürzlich in Auftrag gegeben wurde und nun von einem Schweizer Start-up angeführt wird. Im Jahr 2025 soll die Mission starten und ein etwa 100 Kilogramm schweres Raketenteil aus dem Jahr 2013 einfangen, das seither um die Erde kreist. Beide zusammen werden dann wieder in Richtung Erde gebracht und verglühen in der Atmosphäre wie in einer himmlischen Kehrichtverbrennungsanlage.
Erfreulicherweise werden zudem mehr und mehr Satelliten so gebaut, dass sie am Ende ihres funktionalen Lebens auf eigene Faust ebenfalls Richtung Erde fliegen und verglühen. Dieser Trend ist positiv, könnte aber durch verbindliche internationale Standards noch beschleunigt werden. Immerhin diskutiert sogar die UNO solche Vorgaben seit einigen Jahren. Aufräumen sollten wir überall. Wie auf Erden, so im Himmel.
VALERIE KOLLER
VALERIE.KOLLER@BLUEWIN.CH