FRÜSCH VOR LÄBERE WÄG - Wo der (verhüllte) Hund begraben liegt
06.01.2021 KolumneWo der (verhüllte) Hund begraben liegt
In Zeiten wie diesen werde ich oft gefragt, wie ich mir die Sache mit dem nationalen Verhüllungsverbot nun genau vorstelle. Mit der Maskenpflicht sei es zwischenzeitlich ja fast schon salonfähig geworden, sein Gesicht zu verhüllen. ...
Wo der (verhüllte) Hund begraben liegt
In Zeiten wie diesen werde ich oft gefragt, wie ich mir die Sache mit dem nationalen Verhüllungsverbot nun genau vorstelle. Mit der Maskenpflicht sei es zwischenzeitlich ja fast schon salonfähig geworden, sein Gesicht zu verhüllen. Die Abstimmung vom 7. März 2021 drohe daher zu einer delikaten politischen Pattsituation zu werden. Wie bereits der preussische Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke zu sagen pflegte, legt jedoch der Gedanke den Grund für die Tat. Mit anderen Worten ist es entscheidend, mit welchem Motiv sich eine Person verhüllen will. Doch welche Gründe treiben Menschen an, ihr eigenes Antlitz zu verbergen?
Viele Leute werden sagen, dass die Vollverschleierung in erster Linie ein religiöser Akt respektive Ausdruck einer religiösen Überzeugung sei. Meines Erachtens stimmt dies nicht. Burka und Niqab werden heute ausschliesslich in ultrakonservativen Kreisen des Islams propagiert und dienen der vollständigen Verschleierung weiblicher Körper. Im Koran, der heiligen Schrift des Islams, finde ich allerdings nirgends eine explizite Aufforderung, dass Frauen ihren Körper verhüllen sollen. Nur in einzelnen von Tausenden Suren ist die Rede davon, sich zum eigenen Schutz «züchtig zu kleiden», bescheiden zu sein und keine begehrlichen Blicke von Männern auf sich zu ziehen. Noch in den 1970er- und 1980er-Jahren waren ganzkörperverhüllte Frauen im öffentlichen Leben vieler muslimischer Länder eine Seltenheit. Diesen Fakt dokumentiert beispielsweise die Facebook-Gruppe «Before Sharia Spoiled Everything» sehr eindrücklich. Die Haltung, Frauen hätten in der Öffentlichkeit ihren ganzen Körper zu bedecken, ist in den grössten Teilen der muslimischen Welt eher ein neues Phänomen. Sie ist eng verknüpft mit dem salafistischen, wahhabitisch-sunnitischen Islam, einer radikal-konservativen Glaubensideologie, die für sich in Anspruch nimmt, den ganzen Islam zu vertreten. So erstaunt es denn auch nicht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Rahmen eines Klageprozesses gegen das in Frankreich beschlossene Verhüllungsverbot mit Urteil von 2014 zum Ausdruck brachte, dass er dieses für mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar halte. Wörtlich hielt der Gerichtshof fest, dass das Verbot von Burka und Niqab in der Öffentlichkeit verhältnismässig sei, weder die Religionsnoch die Meinungsfreiheit verletze und auch keine Diskriminierung darstelle. Eine Vollverschleierung ist somit in erster Linie kein legitimierter religiöser Akt, sondern entweder ein Mittel zur Unterdrückung der Frau oder Ausdruck des extremistischen politischen Islamismus.
Doch auch das zweite mögliche Motiv – Vermummung in der Öffentlichkeit, um nicht erkannt zu werden – ist alles andere als edler Herkunft. Wer sich bei Scharmützeln und Auseinandersetzungen mit der Polizei vermummt, verfolgt keine guten Absichten. Wer hingegen ehrenhafte Anliegen vertritt, steht dabei zu seiner Meinung und zeigt Gesicht. Nur wer Böses vorhat, muss sich hinter Sturmhauben verstecken. Im Kanton Bern gilt ein Vermummungsverbot für bewilligungspflichtige Kundgebungen im öffentlichen Raum (Versammlungen ab drei Personen), dieses wird allerdings kaum durchgesetzt. Die fast schon traditionellen Saubannerzüge im Gebiet der Reithalle in Bern offenbaren diesen Missstand. Gewaltbereite Chaoten vermummen sich mit Kapuzen, Mützen und Tüchern, um von den Strafverfolgungsbehörden nicht erkannt zu werden. Ihre Motivation ist die Lust auf Zerstörung und Gewalt. Die Vermummung dient hierbei als Versteck.
Das Motiv – und hier liegt der Hund begraben – ist in Bezug auf die Verhüllung folglich entscheidend. Schreiben Bund und Kantone vor, zur Eindämmung eines Virus Hygienemasken zu tragen, ist der Beweggrund klar ersichtlich: Die Gesundheit der Bevölkerung soll geschützt werden. Burka, Niqab und die Vermummung von Chaoten dienen hingegen entweder als Gefängnis (Unterdrückung), Symbol des extremistischen Islamismus (Freiwilligkeit) oder als Versteck (Chaoten).
NILS FIECHTER
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