Weltcup: «Klarer Gewinner ist der Sport»
12.01.2021 Adelboden, SportChristian Haueter (35) stand als OK-Chef und Geschäftsführer der Weltcup Adelboden AG zum zweiten Mal an der Spitze der Adelbodner Skitage. Er erzählt, was ihm gefehlt hat und nimmt Stellung zu den Themen Sicherheit, Digitalisierung und Verletzungsgefahr für die ...
Christian Haueter (35) stand als OK-Chef und Geschäftsführer der Weltcup Adelboden AG zum zweiten Mal an der Spitze der Adelbodner Skitage. Er erzählt, was ihm gefehlt hat und nimmt Stellung zu den Themen Sicherheit, Digitalisierung und Verletzungsgefahr für die Athleten.
Christian Haueter, der Weltcup 2021 fand unter strengen Pandemie-Vorgaben statt. Waren er so sicher, wie Sie es sich gewünscht hatten?
Nach unserem jetzigen Wissen: ja. Unsere Massnahmen haben sich bewährt. Die HelferInnen von der Security und im Mediencenter haben einen ausgezeichneten Job gemacht. Wir mussten allerdings auch Korrekturen anbringen.
Geben Sie uns ein Beispiel!
Die kalten Temperaturen waren zwar gut für die Piste, nicht aber für unsere Handys, die wir fürs Contact Tracing benutzten. Sie stiegen teilweise aus. Wir konnten jedoch in kurzer Frist für Ersatz sorgen, sodass es keine Ausfälle in der Kontakterfassung an wichtigen Positionen gab. Die Identifizierung via QR-Code ging langsamer als gedacht, deshalb haben wir teilweise mehr Leute an den Ein- und Auscheckpunkten eingesetzt oder anders positioniert. Von Renntag zu Renntag funktionierte es besser.
Wie gut wurden die Anweisungen befolgt?
Nach unseren Informationen allgemein sehr gut. Ein Schutzkonzept lebt auch vom verantwortungsbewussten Umgang mit den Massnahmen durch die involvierten Personen. Dessen war man sich anscheinend bewusst.
Sie wurden im Vorfeld nicht müde, allfällige Zaungäste vom Besuch der Rennen abzuhalten. Hatten Ihre Beschwörungen Erfolg?
Ja. Wir hatten kaum Ansammlungen von Fans zu verzeichnen. Sie sind unserem Aufruf gefolgt und zu Hause geblieben. Für diese Solidarität danken wir.
Wir wurden allerdings Zeugen recht harscher Wegweisungen von Kleinstgruppen durch die Kantonspolizei. Auch die Familie eines prominenten Riesenslalom-Fahrers wurde unwirsch zum Verlassen des Geländes nahe dem Langlaufzentrum aufgefordert. Hatten Sie vorgängig mit den Polizeibehörden die Vorgehensweise besprochen?
Ich habe keine Kenntnis von solchen Vorfällen. Wir sind dankbar für die Unterstützung der Polizei und führten im Vorfeld Gespräche, weil wir vor der ungewissen Situation gebührenden Respekt hatten. Die Interventionen der Polizei fanden nicht auf dem Weltcupgelände, sondern im öffentlichen Raum statt. Auf die Weise, wie die Kantonspolizei ihre Aufgabe aufgefasst hat und wo sie aktiv wurde, hatten wir keinen Einfluss.
Wie ist der Anlass für Sie abgelaufen?
Die Vorbereitung war sehr intensiv. Die Renntage selbst verliefen ruhiger, weil keine 35 000 Skifans unser Gelände bevölkerten und keine Sponsoren zu betreuen waren. Dazu kamen die perfekten Wetter- und Rennbedingungen. Ich habe mehr und ruhiger geschlafen als in meinem ersten Jahr als Geschäftsführer!
Sie haben die grossartigen Verhältnisse an gesprochen, die wohl wieder eine rekordverdächtige Zuschauermenge nach Adelboden gelockt und Ihnen womöglich – wie im Vorjahr – einen schönen finanziellen Gewinn beschert hätten. Trauern Sie dem nach?
Ich teile diese Einschätzung. Nur: Lamentieren bringt nichts. Der Anlass stand unter den gegebenen Vorzeichen, das liess sich nicht ändern. Wir sind froh, dass wir phantastische Rennen durchführen durften. Sie haben die unzähligen Skifans auch zu Hause am TV begeistert.
Über den beiden Riesenslaloms lagen die Schatten der schweren Sturzverletzungen von Lucas Braathen und Tommy Ford. Wäre es nicht an der Zeit, die Rennstrecke zu entschärfen?
Die beiden Stürze haben auch mich mitgenommen. Die Rennfahrer kennen den Chuenisbärgli-Hang und wissen, wie schwierig er ist. Die Pistenpräparation und die Sicherung der Sturzräume finden auf dem höchstmöglichen Niveau statt. Das Thema ist komplex und muss breit diskutiert werden. Es geht auch um die Kurssetzung. Welcher Hang verträgt was? Darüber müssen sich wohl die FIS und die Trainer intensiv Gedanken machen.
Hat die «Ghost Edition 2021» Erkenntnisse für künftige Austragungen gebracht?
Die Veranstaltung 2021 wird als Homeoffice-Rennen in die Geschichte eingehen. Vieles ist virtuell gelaufen. Dabei haben wir viel gelernt. Das hat Vorteile, aber nicht nur. Ein Grossanlass mit so komplexen Strukturen braucht den persönlichen Kontakt der Partner, um gut zu funktionieren. Kristallisationspunkt war bisher das Staff-Zelt, wo man sich traf und an der Kaffeemaschine Informationen austauschte. Das fehlte. Die Digitalisierung wird uns zunehmend beschäftigen. Ich denke dabei an die Zugangsberechtigungen, die wir heuer digital gelöst haben. Wir konnten auch einige Neuerungen im Aufbau testen, die sich gut bewährt haben, beispielsweise bei den Bodenplatten.
Die diesjährige Austragung hat gezeigt, dass es bedeutend weniger Infrastruktur braucht, wenn der Sport im Vordergrund steht. Könnte künftig weniger nicht auch mehr sein?
Immer mehr, immer grösser, immer teurer – das ist nicht die Strategie der Zukunft. Darin ist sich der Verwaltungsrat seit einiger Zeit einig. Es geht darum, eine Balance zwischen Grösse und finanzieller Tragbarkeit zu finden. Daran arbeiten wir bereits.
Wer war Verlierer, wer Gewinner der Rennen ohne Zuschauer?
Die direkten Anwohner haben sicher die Ruhe genossen und den lärmigen und belastenden Auf- und Abbau der Infrastrukturen nicht vermisst. Ich habe aber auch von ihnen vernommen, dass die Fans und damit die Stimmung halt doch gefehlt haben. Klare Gewinner sind der Sport mit den drei spannenden Rennen auf höchstem Niveau sowie unsere Region. Die TV-Livebilder zeigten grossen Skisport und prächtige Winterlandschaften. Verlierer sind die Fans, die nicht dabei sein durften, als das Schweizer Team zwei Riesenslalom-Podestplätze holte. Auch die Vereine und das lokale Gewerbe kamen nicht wie gewohnt zum Zug. Wir konnten weder Helferentschädigungen ausrichten noch Waren bestellen.
Was haben Sie persönlich am meisten vermisst?
Die Fans und den Kontakt mit den Sponsoren, mit denen wir zusammen die Skitage gestalten. Viele soziale Kontakte sind weggefallen. Das habe ich sehr bedauert und hoffe, dass es sich nicht wiederholen wird!
INTERVIEW: RETO KOLLER