Weltcup: 16 Jahre ganz nah dran – und diesmal nicht
12.01.2021 AdelbodenJolanda Lauber war von 2004 bis 2020 die «Miss Start» am Weltcup. Die Adelbodner Gemeindeschreiberin sorgte dafür, dass in den letzten Minuten und Sekunden vor Rennbeginn alles wie am Schnürchen lief. Die diesjährige Ausgabe verfolgte sie erstmals vom heimischen Sofa ...
Jolanda Lauber war von 2004 bis 2020 die «Miss Start» am Weltcup. Die Adelbodner Gemeindeschreiberin sorgte dafür, dass in den letzten Minuten und Sekunden vor Rennbeginn alles wie am Schnürchen lief. Die diesjährige Ausgabe verfolgte sie erstmals vom heimischen Sofa aus.
RETO KOLLER
Der eine scherzt bis zum letzten Augenblick, der andere blickt ganz in sich versunken aufs Starthäuschen. Jolanda Lauber kannte sie alle und wusste um die Rituale der Hirschers, Pinturaults, Raichs – und wie die Riesenslalomcracks alle hiessen. Mit der ihr eigenen Ruhe sorgte die Gemeindeschreiberin dafür, dass jeder Läufer seine Startnummer so trug, wie die FIS es vorschreibt und dass er sich zum richtigen Zeitpunkt im Startbereich aufreihte. «Wenn sich die 15 Fahrer der ersten Gruppe vorbereiteten, ging es etwas gemächlicher zu. Es galt der 90-Sekunden-Startrhythmus. Später wurde es hektischer, wenn sich die Intervalle bis auf 30 Sekunden verkürzten», erinnert sich die erfahrene Sportfunktionärin. Vorerst war sie für beide Renntage verantwortlich, in den letzten Jahren war nur noch der Riesenslalom ihre Domäne.
Skikönige und Habenichtse
Jolanda Lauber kennt die Hierarchien im Skizirkus aus der eigenen Anschauung. Die Topathleten brauchen sich um nichts anderes als um ihre Rennbereitschaft zu kümmern. Ein ganzer Tross von Helfern und Betreuern nimmt ihnen alles ab, was sie stören oder ablenken könnte. Die Fahrer mit den hohen Startnummern sind dagegen wahre Einmannunternehmen. Sie tragen ihre Ski selbst und sind für ihr Wohlergehen ganz alleine zuständig. Lauber nennt als Beispiel für Erstere den legendären, vielfachen Chuenisbärgli-Sieger Marcel Hirscher: «Er wurde von seinen Helfern völlig abgeschottet, zeigte keine Regung und war vollständig auf den Start fokussiert.» Ganz anders gingen es die Rivalen aus Norwegen und Schweden an. «Die Skandinavier schienen mir bei aller Professionalität viel lockerer und entspannter zu sein. Sie traten fast wie eine Familie auf.» Die Duelle der beiden «Platzhirsche» ihrer Nationen sind Jolanda Lauber in bester Erinnerung. Henrik Kristoffersen und Marcel Hirscher lieferten sich jeweils harte Kämpfe um das Siegertreppchen, wobei der Österreicher bis auf den Slalom 2016 immer die Nase vorn hatte. «Ich war überrascht und beeindruckt, wie freundschaftlich und manchmal fast neckisch der Ton der beiden Top-Cracks untereinander vor der Streckenbesichtigung war – allen Rivalitäten zum Trotz!»
Wichtigstes Utensil: ein dicker Filzstift
Auf die Frage, was die grösste Schreckensvorstellung einer Startchefin sei, zögert Lauber kurz und meint dann: «Wenn die Startnummern unauffindbar wären.» Bis heute sei dies zu ihrem Glück noch nie geschehen. Es sei allerdings ab und zu vorgekommen, dass ein Fahrer ohne Nummer zum zweiten Lauf angetreten sei, weil diese im Zimmer liegengeblieben war. «Da half nur noch der Griff nach einer unbedruckten Reservenummer und dem dicken schwarzen Filzstift», meint sie und lacht.
Nun schaut Sandra Bettschen nach dem Rechten
Nach 16 Jahren hat sich Jolanda Lauber nun entschieden, ihren Job an Sandra Bettschen abzutreten. Die Emmentalerin hatte sie in den vergangenen Jahren jeweils assistiert sowie im Slalom die Verantwortung innegehabt. Die beiden lernten sich 2011 während eines Freiwilligeneinsatzes an den Weltcuprennen im norwegischen Kvitfjell kennen. «Sandra zeigte Interesse an der Arbeit im Starthäuschen. Als es eine Vakanz gab, ergriff sie die Gelegenheit. Seither arbeiteten wir zusammen. Sie ist meine Wunschnachfolgerin.»
Die diesjährigen Rennen in der «Ghost Edition» hat sich Lauber wie alle anderen Skisportfans gezwungenermassen zu Hause auf dem Sofa im TV angesehen – ein abrupter Wechsel vom adrenalingeladenen Starthaus in die gemütliche und wohlgeheizte heimische Stube.