Die Schattenseiten des Öl-Booms
09.02.2021 GesellschaftDie Nachfrage nach Palmöl hat in den Produktionsländern fatale Folgen. Gerade in Indonesien verursacht der Anbau der Ölpalme grosse ökologische und soziale Schäden.
MARK POLLMEIER
Eigentlich ist Palmöl ein ideales Produkt. Bei Raumtemperatur hat es eine cremige ...
Die Nachfrage nach Palmöl hat in den Produktionsländern fatale Folgen. Gerade in Indonesien verursacht der Anbau der Ölpalme grosse ökologische und soziale Schäden.
MARK POLLMEIER
Eigentlich ist Palmöl ein ideales Produkt. Bei Raumtemperatur hat es eine cremige bis feste Konsistenz («Palmfett»), lässt sich also gut lagern und verarbeiten. Es ist geruchs- und geschmacksneutral und verträgt grosse Hitze, weshalb es zum Braten, Frittieren und Backen verwendet werden kann.
Müesli, Wurst und Babynahrung
Wegen seiner vorteilhaften Eigenschaften wird Palmöl in vielen Bereichen der Nahrungsmittelindustrie verwendet. Es findet sich in Tiefkühlpizza und Schokolade, in Fertigsuppe und Müesli, in Wurst, Margarine und Babynahrung. Aber auch Kosmetikhersteller setzen auf Palmöl. Sie mischen es in Duschgels und Cremes, in Seifen und Schminkprodukte wie etwa Eyeliner. Umweltorganisationen schätzen, dass das Pflanzenöl inzwischen in jedem zweiten Supermarktartikel enthalten ist.
Dass Palmöl in den vergangenen Jahren zum gefragten Rohstoff wurde, lag aber vor allem an der Treibstoffindustrie: Indem man herkömmlichen Kraftstoffen Palmöl beimischte, konnten diese als umweltfreundlich etikettiert werden («Biodiesel»).
Die dreifache Fläche der Schweiz
Hauptlieferanten von Palmöl sind Malaysia und Indonesien. 90 Prozent der weltweiten Produktionsmenge stammen aus diesen Ländern, wobei Indonesien inzwischen alle übrigen Konkurrenten überholt hat. Die indonesische Anbaufläche für Palmöl hat sich in den letzten zwölf Jahren vervielfacht und beträgt heute rund 12 bis 13 Millionen Hektaren – das entspricht der dreifachen Fläche der Schweiz.
Das Problem: Der allergrösste Teil dieser Flächen war zuvor Regenwald, der als einer der artenreichsten der Welt gilt – oder vielmehr galt. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen prognostiziert, dass schon im nächsten Jahr 98 Prozent des Waldes biologisch entwertet oder sogar verschwunden sein werden. Eine der Folgen: Indonesien hat die längste Liste an stark bedrohten Tier- und Pflanzenarten, darunter Orang-Utans, bestimmte Tigerarten und eine Vielzahl seltener Pflanzen.
Der Rückgang der Biodiversität ist jedoch nur eine Begleiterscheinung des Palmölanbaus. Betroffen sind nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch viele indigene «Urwaldvölker», die durch die Rodung ihren traditionellen Lebensraum verlieren und oft ohne Entschädigung vertrieben werden. Vor allem auf der Insel Sumatra häufen sich Landkonflikte mit einheimischen Kleinbauern.
Vernichtung eines CO2-Speichers
Ein dritter Aspekt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der klimatische. Naturbelassene Regenwälder binden grosse Mengen CO2. Diese Wirkung entfällt, wenn sie gerodet werden. In Indonesien ist der Effekt besonders spürbar: Der überwiegende Teil der CO2-Emmissionen des Landes gehen unmittelbar auf die Entwaldung zurück. Auf der Liste der grössten CO2-Emittenten liegt Indonesien inzwischen auf einem der vorderen Plätze.