Als der Kehricht nur dreimal im Jahr entsorgt wurde
30.03.2021 Adelboden, RegionWie stark sich in den letzten Jahrzehnten die Konsumgewohnheiten verändert haben, zeigt nicht zuletzt der Umgang mit dem Abfall. Erst fiel kaum etwas an, später wurde vieles einfach vergraben.
FRITZ INNIGER
Früher wurde der Kehricht dreimal im Jahr abgeführt: im ...
Wie stark sich in den letzten Jahrzehnten die Konsumgewohnheiten verändert haben, zeigt nicht zuletzt der Umgang mit dem Abfall. Erst fiel kaum etwas an, später wurde vieles einfach vergraben.
FRITZ INNIGER
Früher wurde der Kehricht dreimal im Jahr abgeführt: im Frühling, im Sommer und im Herbst. Mehr Termine waren nicht nötig – es fiel nur sehr wenig Abfall an. Wenn man einkaufen ging und Mehl, Zucker oder Haferflocken verlangte, fragte der Krämer: «Hescht äs Papierlödi (also einen Sack) bi der?» Für Konfitüre sollte man ein Glas oder «Chesseli» mitbringen. So lernte man Vorhandenes wieder zu gebrauchen. Brennbares wurde im «Chunscht» verbrannt, Blechbüchsen und nicht Brennbares wurden im Wald entsorgt, wo der Rost das Metall zersetzte.
Grössere Lieferungen brachte ein Lastwagen der AFA nach Hause. Die Ware war meist in Holzkisten verpackt, welche der Lieferant unentgeltlich wieder zurücknahm. Dadurch entstand im Vergleich zu den heutigen Kunststoffverpackungen viel weniger Abfall.
Vor der Abholung wurde der Kehricht meist in Schachteln oder Körben vor das Geschäft oder Wohnhaus gestellt. Der «Ghüder» wurde dann regelmässig von Robert Gempeler mit einem Pferdegespann eingesammelt und entsorgt. Bei starkem Wind kam es vor, dass aus dem Holzkastenbehälter auf dem Vierräderwagen Papier oder Karton verweht wurde und auf der Strasse liegen blieb.
Kiesgruben werden zu Deponien
Dass sich die Abfallentsorgung mit der Zeit änderte, war auch einer anderen Entwicklung zu verdanken. Als Häuser irgendwann nicht mehr nur aus Holz und Blocksteinfundament gebaut wurden, begann die Familie Schmid in der Schützenmatte mit dem Abbau der Moräne auf der Dürrenegge. Aus diesem Material wurden Splitter und Betonkies gewonnen. Früher hatte man Kies einfach dem Bach entnommen und am Bachbett mit einer Schaufel über ein schräg aufgestelltes, grosses Sieb geworfen. Je nach Siebdurchmesser erhielt man Sand oder Kies. Ein solches Verfahren nannte man «hurten».
Zu Schmids Abbaufirma gehörte auch ein Steinbrecher. Die Hämmer dieser Maschine zerschlugen grössere Steine zu Splitt. Nach dem Krieg kaufte Hans Schmid dann einen Armee-Jeep mit Anhänger, mit dem er das benötigte Material zu Baustellen transportierte. Sein Bruder Christian half ihm dabei.
Später entschied sich Hans Schmid, die ganze Anlage zum Schmittengraben zu verlegen. Dort baute er eine andere Moräne ab. Mit einer neu erstellten Seilbahn wurde das gewonnene Material zur Hauptstrasse «i de Stude» hinuntergelassen. Die Seilbahnkiste war am Boden mit einem Schieber ausgerüstet. Mit dem Ziehen dieses Schiebers konnte das Material direkt auf ein Transportfahrzeug abgeladen werden.
Im Februar 1945 schloss Jakob Willen-Schmid, der mittlerweile Besitzer des Grubenareals war, einen Kehrichtdeponievertrag mit der Gemeinde. Als diese Grube mit Abfällen aufgefüllt war, wechselte die Gemeinde zur Familie Däpp im Moos-Eggetli und schloss mit ihr einen neuen Deponievertrag. Bis 1968 wurde dort der Kehricht abgeladen.
Feuerwehr muss Abfallbrand löschen
Anfänglich bestand der Kehricht fast ausschliesslich aus Papier, Küchenabfall, Grünabfuhr usw. Diese Mischung führte jedoch dazu, dass sich die Kehrichtmasse derart erhitzte, dass sie sich irgendwann selbst entzündete und in Brand geriet, sodass die Feuerwehr ausrücken musste. Erst als zusätzlich auch Bauschutt beigemischt wurde, war das Hitze- und Rauchproblem gelöst.
Ende der Sechzigerjahre wurde im Paradiesli die Kehrichtmühle gebaut. Von da an wurde der Kehricht geschreddert und abtransportiert. Heute wird das anfallende Material auf dem ehemaligen «Ghüdermüli-Gelände» sorgfältig sortiert und umweltgerecht entsorgt.