POLITISCHES PARKETT
23.03.2021 KolumneDas Parlament hat sich zusammengerauft
«Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen», heisst es in der Präambel der Bundesverfassung. Dieser Grundsatz gilt insbesondere in Krisen, wie wir sie aktuell erleben. Viele Menschen sind unvorbereitet und völlig ...
Das Parlament hat sich zusammengerauft
«Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen», heisst es in der Präambel der Bundesverfassung. Dieser Grundsatz gilt insbesondere in Krisen, wie wir sie aktuell erleben. Viele Menschen sind unvorbereitet und völlig unverschuldet in eine Notlage geraten, sei es gesundheitlich oder wirtschaftlich.
Leider ist dieser Grundsatz in den vergangenen Wochen zeitweise in den Hintergrund gerückt. Wissenschaftsfeindliche Öffnungsfanatiker von rechts mit einer Gefolgschaft bis weit in die Mitte hinein haben mit ihrer Lautstärke leider viele Leute gegen die Politik des Bundesrates und die Schweizer Institutionen aufgebracht. Das hat Teile der Gesellschaft gespalten, hat die Akzeptanz der Schutzmassnahmen reduziert und damit die Bewältigung dieser Pandemie erschwert. Das ist schade. Wir können das besser, habe ich mir gesagt und mich mit viel Energie dafür eingesetzt, dass das Parlament wieder auf den Pfad der Tugend findet und brauchbare Lösungen erarbeitet, anstatt fixe Öffnungsdaten ins Gesetz zu schreiben. Die Vermeidung einer erneuten Explosion der Fallzahlen ist nicht nur eine gesundheitspolitische Selbstverständlichkeit, sie ist auch die beste und nachhaltigste Wirtschaftspolitik. Alles andere würde die Kosten sowie die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden noch einmal massiv erhöhen. Als Parlament müssen wir uns deshalb aktuell auf den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sowie auf die Verhinderung von Konkurswellen und wirtschaftlichen Härtefällen konzentrieren. Denn wir im Parlament sind die gesetzgebende Gewalt, beim Covid-19-Gesetz kommt uns eine zentrale Rolle zu. Wir sind aber nicht die Exekutive und auch keine Epidemiologen. Deshalb ist es richtig, dass der Bundesrat auf der Basis des Gesetzes eigenständig entscheidet. Und es ist richtig, dass er standhaft bleibt und sich an der epidemiologischen Lage orientiert – und nicht an kurzsichtigen Öffnungsforderungen.
Das Parlament hat bei der Gesetzesrevision schliesslich gute Arbeit geleistet und viele Punkte, teilweise auch gegen den Willen des Bundesrates, neu festgelegt. Es fehlt zwar immer noch an Weitsicht und Nachhaltigkeit, und wir hätten mehr Lehren aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres ziehen müssen. Bis die Impf- und Testsysteme sowie die Hilfeleistungen für die Wirtschaft von den Kantonen umgesetzt sind, wird es dauern. Das bleibt ärgerlich. Trotzdem überwiegen beim Covid-Gesetz die positiven Errungenschaften. Selbstständigerwerbenden wird künftig der Zugang zu Lohnersatz einfacher ermöglicht, die verbesserte Kurzarbeitsentschädigung im Tieflohnbereich wird verlängert, Firmen mit hohem Umsatz werden in allen Kantonen und mit gleichen Bedingungen unterstützt. Veranstalter der Eventbranche erhalten eine Art Schutzschirm und Sportklubs verbesserte Hilfeleistungen. Auch im Bereich Testen, Tracing und Impfung haben wir ein ambitioniertes Vorgehen beschlossen. Alles klare Verbesserungen.
Im Laufe der Session ist die Mehrheit des Parlamentes glücklicherweise auf ein Miteinander eingeschwenkt und hat die «Polteris» rechts liegen gelassen. Das Parlament hat sich zusammengerauft und wir haben gemeinsam Lösungen erarbeitet, ganz nach dem Motto «Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen».
JÜRG GROSSEN, NATIONALRAT GLP