Ab ins kalte Wasser?
01.04.2021 GesellschaftWISSEN Ein alter Küchentipp, der besonders gut zum kommenden Wochenende passt: Hart gekochte Eier soll man rasch abschrecken, damit sie sich später besser pellen lassen. Aber bringt das Ganze überhaupt etwas? Ja – aber nicht fürs Schälen.
MARK POLLMEIER
In der ...
WISSEN Ein alter Küchentipp, der besonders gut zum kommenden Wochenende passt: Hart gekochte Eier soll man rasch abschrecken, damit sie sich später besser pellen lassen. Aber bringt das Ganze überhaupt etwas? Ja – aber nicht fürs Schälen.
MARK POLLMEIER
In der Küche hat das Abschrecken vor allem einen Zweck: Es senkt schlagartig die Temperatur von Lebensmitteln und unterbricht so den Garvorgang. So macht man es etwa mit blanchiertem Gemüse, damit dieses einigermassen bissfest bleibt. Mancher wirft dafür sogar einige Eiswürfel ins Abschreckwasser.
Auch bei Eiern kann man sich den Schreckeffekt zunutze mache, zum Beispiel bei Frühstückseiern, deren Dotter wachsweich bleiben soll. Aber hat die Kaltwasser-Kur auch Einfluss aufs Schälen? Die Antwort ist: nein. Ob sich die Schale gut oder schlecht vom Ei löst, hängt vielmehr vom Alter bzw. Frischgrad ab. Je älter ein Ei ist, desto leichter lässt es sich pellen. Bei frischen Eiern dagegen haftet die Schale noch stärker am Eiweiss – das Schälen ist dann deutlich mühsamer. (Wer genau wissen will, warum das so ist: siehe unten.) Das Abschrecken von Eiern erleichtert das Pellen also nicht – und kann sogar einen negativen Einfluss auf die Haltbarkeit haben. Wird nämlich ein heisses Ei unter kaltes Wasser gehalten, zieht sich die Schale schlagartig zusammen und der Druck im Innern ändert sich. Durch die feinen Poren der Schale können Keime dann leichter ins Ei gelangen, was die Haltbarkeitsdauer verkürzt. Lässt man Eier dagegen einfach an der Luft abkühlen, bleiben sie länger geniessbar. Sofern sie zum Zeitpunkt des Kochens noch halbwegs frisch waren, sollten vier Wochen Lagerung bei Raumtemperatur kein Problem darstellen. Die Kochzeit sollte je nach Grösse und Ausgangstemperatur zehn bis zwölf Minuten betragen.
Warum sich ältere Eier besser schälen lassen
Eine Eierschale ist nicht vollständig dicht. Durch ihre feinen Poren entweichen mit der Zeit Wasser und Kohlendioxid. Dadurch verändert sich der pH-Wert im Inneren des Eis von nahezu neutral hin zu einem basischen Klima. Im basischen Bereich nimmt die Bindungskraft von Proteinen ab. Die Folge: Mit zunehmendem Alter des Eis ist die Schalenhaut weniger fest ans Eiweiss gebunden – sie lässt sich beim Pellen mitsamt der Schale leichter ablösen. Bei frischen Eiern ist die Bindekraft der Haut dagegen noch deutlich stärker. Das führt zu dem bekannten Effekt, dass man jedes Schalenstückchen einzeln abknibbeln muss, nicht selten mitsamt einem Stück Ei, das daran hängen bleibt.
Mancher Hobbychemiker gibt darum einen Kaffeelöffel Backpulver oder Natron ins Kochwasser – das soll den pH-Wert basischer machen und später das Schälen erleichtern. Ob dieser künstlich herbeigeführte Alterungsprozess wirklich funktioniert? Die nächsten Tage wären zumindest eine Gelegenheit, es auszuprobieren ...
POL