DERFÜR U DERWIDER – Im Namen Gottes, des Allmächtigen!
16.04.2021 KolumneIm Namen Gottes, des Allmächtigen!
Schon wieder die Bundesverfassung! Diesmal jedoch mit gutem Recht, wie mir scheint. Einerseits, weil ich gerne den Ball aufnehme, den Nils Fiechter in seiner letzten Kolumne steil vor die Tore der Kirchen lostrat, andererseits aber auch, ...
Im Namen Gottes, des Allmächtigen!
Schon wieder die Bundesverfassung! Diesmal jedoch mit gutem Recht, wie mir scheint. Einerseits, weil ich gerne den Ball aufnehme, den Nils Fiechter in seiner letzten Kolumne steil vor die Tore der Kirchen lostrat, andererseits aber auch, weil ich feststelle, dass dieses Thema unser Tal emotional offenbar sehr bewegt. Besagter Parlamentarier aus dem Bundeshaus will also Gott mit einem Vorstoss aus der Präambel unserer Verfassung verbannen. Dies wohl als frustrierte, trotzige Reaktion auf die erfolgreiche Burkaverbots-Initiative. Der Aufschrei und die Entrüstung der Kirchen und der christlichen Parteien ist ihm dabei so gewiss wie das Amen in der Kirche. Diese warnen mit grosser Sorge vor Identitäts- und Werteverlust oder beklagen die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft. Tatsächlich ist dies nicht der erste Versuch, den Hinweis auf Gott aus der Präambel zu streichen. Die Begründung ist jeweils simpel: Kirche und Staat sind weitgehend getrennt, und dies soll auch in der Verfassung abgebildet werden. Die Kirchen sehen dies naturgemäss anders und möchten unsere Abhängigkeit von Gottes Hilfe und Beistand in der Entwicklung unseres Staates weiterhin erwähnt sehen. Würde ich mit der Aufgabe betraut, diese Abhängigkeit in einer Präambel würdig festzuhalten (welche Anmassung), würde ich dies wohl folgendermassen tun: «In Demut vor Gott dem Allmächtigen!» oder «In Anerkennung der Allmacht Gottes!». So steht es nun aber nicht in unserer Bundesverfassung, sondern so: «Im Namen Gottes des Allmächtigen!» Das Schweizer Volk und die Kantone sprechen demnach im Namen von Gott, also an seiner Stelle und erlassen in seinem Auftrag gesetzgeberische Bestimmungen. Im Namen Gottes sind vor dem Gesetz alle Menschen gleich (Art. 8, Abs. 1 Bundesverfassung). Im Namen Gottes schützen wir unsere Wirtschaft (Art. 94) – und wenn es sein muss, auch mit unlauteren Mitteln. Im Namen Gottes schicken wir Kriegsmaterial nach Saudi-Arabien und anderswo hin (Art. 107). Im Namen Gottes bewerten wir Menschen auf der Flucht allenfalls als Bedrohung für unseren Wohlstand (Art. 121).
Im Namen Gottes wurde schon viel zu viel Unheil in diese Welt gebracht. Gott wurde zu oft für unsere Interessen instrumentalisiert. Es ist also durchaus an der Zeit, diese Präambel in der Bundesverfassung zu überdenken und neue Ansätze zu s uchen. Nicht aus Frust oder Trotz, sondern in guter, alter helvetischer Manier, gemeinsam und bedächtig. Wie würden Sie die Präambel der Bundesverfassung formulieren?
Ich persönlich glaube, dass Gott weder in eine Bundesverfassung noch auf andere Sockel gehört. Damit verkennen wir nur die wahre Grösse Gottes und die Bedeutung des Glaubens. Vielmehr wird Gott in den Tiefen unserer Seele zu finden sein. Dort, wo auch diese unerklärlichen Abgründe unseres Schmerzes und unserer Angst zu finden sind. Aber auch dort, wo wir Hoffnung, Glauben und echte, selbstlose Liebe erleben.
Als Politiker neigen wir oft dazu, formale, institutionelle Grössen zu überhöhen. Wir kämpfen lieber um den Erhalt der Präambel in der Bundesverfassung, als dass wir uns um die Sorgen und Freuden unserer Mitmenschen kümmern und die Stärke unseres Zusammenhalts am Wohl der Schwachen messen.
HANS PETER BACH
HANSPETER.BACH@LIVENET.CH