Die Ohren spitzt man nicht nur an Ostern
01.04.2021 GesellschaftSPRACHE Spitzt jemand die Löffel, denkt man nicht in erster Linie an Ostern. Tatsächlich aber geht die Redewendung auf den Feldhasen zurück – unser tierisches Ostersymbol.
KATHARINA WITTWER
In verschiedenen europäischen Kulturen wurde der Feldhase (Lepus ...
SPRACHE Spitzt jemand die Löffel, denkt man nicht in erster Linie an Ostern. Tatsächlich aber geht die Redewendung auf den Feldhasen zurück – unser tierisches Ostersymbol.
KATHARINA WITTWER
In verschiedenen europäischen Kulturen wurde der Feldhase (Lepus europaeus) zum Fruchtbarkeitssymbol, weil eine Häsin drei- bis viermal pro Jahr Junge werfen kann. Als Osterbote ist der Hase im deutschsprachigen Raum seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt. Im Frühjahr erwachte die Natur, es wurde gesät und gepflanzt, und die Menschen hofften auf ein fruchtbares Jahr, damit sie im kommenden Winter nicht Hunger leiden mussten. Was lag also näher als – zusätzlich zum christlichen Glauben – Fruchtbarkeitssymbole aus dem Heidentum zu verehren?
Der menschliche Körper braucht Eiweiss. Fleisch konnten sich vornehmlich der Adel und die Klöster leisten, schliesslich befanden sich Felder und Wald sowie alles, was darin lebte, oft in ihrem alleinigen Besitz. Gewildert wurde bis ins 20. Jahrhundert meistens aus purer Not. Um an Fleisch zu kommen, bediente man sich verbotenerweise selbst. Die Ausbeute brachte eine willkommene Abwechslung in den oft einseitigen Speiseplan. Je erfolgreicher ein Jäger oder Wilderer, desto höher war sein Ansehen.
Wachsamkeit dank biegsamer Ohren
Im Laufe der Zeit entwickelte sich in der Fachsprache der Jäger eine eigene Ausdrucksweise. Übernommen wurden vor allem das Verhalten und Aussehen von Tieren, woraus wiederum Redewendungen entstanden. Vor allem vom Hasen haben bis heute einige überlebt. So werden zum Beispiel die Ohren auch Löffel genannt, weil sie eine Ähnlichkeit mit diesem Essbesteck aufweisen.
Hasen haben die Fähigkeit, ihre langen und überaus beweglichen Ohrmuscheln unabhängig voneinander zu bewegen, und zwar nach vorne, seitlich und nach hinten. Nehmen sie ein verdächtiges Geräusch wahr, unterbrechen sie das Äsen (Fressen) und richten die Lauscher in die Richtung, aus der möglicherweise Gefahr naht. Dadurch entsteht ein Bild höchster Aufmerksamkeit und Wachsamkeit. Dieses Verhalten hat sich im deutschen Sprachraum als Redewendung eingebürgert. Wer «die Löffel spitzt», hört also aufmerksam zu
Weitere Löffel-Redewendungen haben weder mit dem Feldhasen noch mit Ostern zu tun. Erwähnenswert sind sie trotzdem. Wer die Suppe auslöffelt, die einem jemand anderes eingebrockt hat, muss einen fremdverschuldeten Fehler ausbügeln. Wird jemandem nachgesagt, er habe die Weisheit mit Löffeln gefressen, heisst das nicht zwingend, dass er vieles weiss und tatsächlich schlau ist. Vielmehr ist der Betroffene sehr von sich selbst überzeugt und meint, er sei allwissend.
Jeder hatte sein eigenes Besteck
Ob wir die Ohren spitzen oder die Suppe auslöffeln – am Ende unseres Erdendaseins müssen wir alle «den Löffel abgeben». Zur Herkunft dieser Wendung gibt es verschiedene Theorien. Möglicherweise erinnern sich alte Leute noch daran, dass – vor allem in Bauernhäusern – jeder seinen eigenen Löffel hatte (die Gabel kam als Essbesteck erst später hinzu). Nach dem Essen putzte man ihn eigenhändig an der Hose, an der Schürze oder mit dem Taschentuch ab und steckte ihn zurück in die Halterung («Löffelriigle») an der Wand. Verstarb die Person oder verliess der Knecht den Hof, blieb der Löffel zurück und wurde von einer anderen Person gebraucht.