Ein Essstäbchen als Präzisionsinstrument
20.04.2021 Adelboden, Bildung|SchuleBei der diesjährigen Schweizer Physik-Olympiade schnitt ein Frutigländer besonders gut ab. Im Gespräch erklärt Raphael Zumbrunn seine Faszination für Physik – und sein Flair für Fremdsprachen.
VALERIE KOLLER
Für Raphael Zumbrunn war es nicht die erste ...
Bei der diesjährigen Schweizer Physik-Olympiade schnitt ein Frutigländer besonders gut ab. Im Gespräch erklärt Raphael Zumbrunn seine Faszination für Physik – und sein Flair für Fremdsprachen.
VALERIE KOLLER
Für Raphael Zumbrunn war es nicht die erste Teilnahme an der Schweizer Physik-Olympiade, aber seine bisher erfolgreichste. Er wurde kürzlich für seine Leistung mit einer Silbermedaille ausgezeichnet, eine Belohnung für den jahrelangen Einsatz des jungen Adelbodners. Seit seiner ersten Olympia-Teilnahme in der 9. Klasse, damals in der Disziplin Informatik, hat der heute 19-Jährige bei zahlreichen Wettkämpfen mitgemacht. In seinem Spitzenjahr mass sich Zumbrunn an den Olympiaden in Biologie, Chemie, Physik, Informatik, Philosophie und Mathematik. Dieses Jahr konnte er wegen des Militärdienstes an den meisten – virtuell stattfindenden – Vorbereitungen nicht teilnehmen und am Wochenende war er oft zu müde, um sich mit Physikfragen zu beschäftigen. Umso überraschter war er, als er an der Online-Rangverkündigung von seiner guten Platzierung erfuhr.
Ein Platz am internationalen Wettbewerb in Litauen – oder online
Die Finalisten mussten zuvor verschiedene Aufgaben lösen und zu Hause am Schreibtisch ein Konstrukt für ein Experiment aufbauen. Dafür hatten die Organisatoren allen Teilnehmenden einen grossen Umschlag geschickt, in dem sich etwa Ballone, eine Schnur und ein Essstäbchen befanden. «Man hat am Anfang keine Ahnung, was man damit anfangen soll», erzählt Raphael Zumbrunn. Das Ziel war es, das Essstäbchen so zu installieren, dass es als Pendel funktionierte. Aus der Periodendauer dieses gebastelten Pendels sollte die Erdbeschleunigung experimentell gemessen werden. Das habe zwar nur halb funktioniert, gibt der Olympionike zu – für Silber hat es jedoch gereicht.
Zumbrunn konnte sich sogar für die Internationale Physik-Olympiade qualifizieren. Normalerweise dürfen nur die Erstplatzierten dortin reisen, doch dieses Jahr können einige von ihnen nicht teilnehmen, weshalb sich ein Platz für den Adelbodner ergeben hat. «Eine solche Teilnahme wäre schon sehr cool», freut er sich. Allerdings ist noch nicht klar, ob die internationale Austragung dieses Jahr in Litauen stattfinden kann oder ob es bei einem Online-Wettbewerb bleiben wird.
Er brachte die Lehrer zum Grübeln
Die Naturwissenschaften faszinieren den jungen Mann schon lange. Er beschreibt, wie er als Kind im Büro seines Vaters, eines Adelbodner Lehrers, in naturwissenschaftlichen Büchern blätterte und sich rasch für grundlegende Fragen interessierte: Warum ist der Himmel blau, wieso das Gras grün? Während seiner Schulzeit habe er zudem das Glück gehabt, von guten Lehrerinnen und Lehrern unterstützt zu werden. Nicht selten kam es vor, dass seine Fragen selbst die Lehrpersonen zum Grübeln brachten, erinnert sich das junge Talent.
Im letzten Sommer hat Zumbrunn die Matur gemacht, mit Schwerpunkt Physik und Angewandte Mathematik, und mit dem Militär begonnen. «Das wollte ich hinter mich bringen.» Er ist nicht der einzige Rekrut, der sich mehr für Naturwissenschaften als für militärische Übungen interessiert. Aus seinem Zug haben noch andere an der Physik-Olympiade mitgemacht. «Wir haben zusammen ein Urlaubsgesuch gestellt, damit wir am Wettkampf teilnehmen können.»
Auch während der Schulzeit hat er wegen der Olympia-Vorbereitungslager oft gefehlt. Die Schulleitung war ob so vieler Absenzen des Schülers nicht nur erfreut, berichtet der junge Frutigländer lachend. Genau in diesen Lagern liegt für ihn aber der Reiz der Olympiaden. Es treffen Naturwissenschaftsinteressierte aus der ganzen Schweiz zusammen. «Ich habe dort mehr Französisch gelernt als in meiner gesamten Schulzeit», schmunzelt Zumbrunn. «Und man weiss auch sonst wirklich viel mehr nach so einer Woche.» Im Gymnasium lerne man zwar auch einiges, aber da gehe es eher darum, einen spezifischen Sachverhalt im Detail zu verstehen. Während der Olympia-Vorbereitungen würden hingegen viele verschiedene Themen besprochen. Das gefällt dem Adelbodner, der von sich selbst sagt, dass ihm schnell langweilig wird.
Interdisziplinäres Talent
Nach dem Militärdienst möchte Zumbrunn eigentlich auf Reisen gehen, wenn es die Lage denn erlaubt. Im September wird er an der ETH Zürich sein Studium beginnen. «Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich studieren will, deshalb habe ich mich für Interdisziplinäre Naturwissenschaften eingeschrieben.» Ein Studiengang, der den vielfältigen Interessen und der Neugier des Adelbodners gerecht wird. «Es ist kein einfaches Studium», weiss Zumbrunn, «aber ich lasse mich auf diese Herausforderung ein.»
Gerne würde er nach dem Bachelor Erfahrungen an einer Uni im Ausland sammeln. «Am liebsten irgendwo, wo ich auch noch eine Sprache lerne. Es ist ein cooles Gefühl, mit anderen Menschen in ihrer Muttersprache zu kommunizieren und eine grosse Belohnung für den Lernaufwand», sagt der angehende Student. Sprachen müsse man vor allem auswendig lernen und das falle ihm nicht so leicht, wie physikalische Sachverhalte zu verstehen. «In der Physik kann ich eine Formel, an die ich mich nicht erinnere, auch einfach mithilfe von anderen Gesetzen herleiten», sagt Zumbrunn.
Und nach dem Masterabschluss? Der ambitionierte Adelbodner möchte doktorieren und in der Forschung tätig sein. «Am liebsten möchte ich ein spezifisches naturwissenschaftliches Problem lösen, etwas, das noch niemand vor mir geschafft hat.»
Voraussetzungen für die Teilnahme
Für die Physik-Olympiade können sich Jugendliche und junge Erwachsene bis 20 vor Beginn eines Studiums anmelden. Nach mehreren Qualifizierungsrunden traten dieses Jahr 26 Finalistinnen und Finalisten an. Jährlich nehmen in der Schweiz bis zu 4000 Jugendliche an den verschiedenen Naturwissenschafts-Olympiaden teil.
VK
Mehr Informationen finden Sie online unter www.frutiglaender.ch/web-links.html