Polternder Privatkläger läuft beim Gericht auf
13.04.2021 GesellschaftJUSTIZ Wer als Grundeigentümer auf seinem Grundstück ein gerichtliches Fahr- oder Parkverbot beantragt, muss bereit sein, das Recht auf dem Klageweg durchzusetzen, falls gegen das Verbot Einsprache erhoben wird.
PETER SCHIBLI
Der Prozess zwischen zwei Frutigländern ...
JUSTIZ Wer als Grundeigentümer auf seinem Grundstück ein gerichtliches Fahr- oder Parkverbot beantragt, muss bereit sein, das Recht auf dem Klageweg durchzusetzen, falls gegen das Verbot Einsprache erhoben wird.
PETER SCHIBLI
Der Prozess zwischen zwei Frutigländern vor dem Regionalgericht Oberland stand am vergangenen Freitagmorgen von Anfang an unter erschwerten Bedingungen: Der Privatkläger, der verspätet eintraf, machte gleich zu Beginn der Sitzung geltend, sein Hörvermögen liege nur bei zwanzig Prozent. Deshalb möchte er im Saal ganz vorne sitzen. Gerichtspräsident Jürg Santschi wählte eine pragmatische Lösung und setzte den Rentner an den Zeugentisch, direkt vor die Richterbank, hinter eine Trennwand, und erklärte sich bereit, die Verhandlung ohne Hygienemaske zu leiten, damit der Mann das Gesagte von seinen Lippen ablesen konnte.
Der Sachverhalt präsentierte sich deutlich einfacher als die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien: Am 16. April 2018 hatte der Privatkläger auf seinem Grundstück in Kandergrund ein gerichtliches Verbot erwirkt. Ein Betroffener erhob innerhalb der gesetzlichen Frist Einsprache dagegen. Am 13. September 2018 fand vor der Schlichtungsbehörde eine Verhandlung statt. Ergebnis: Auf Anraten der Behörde verzichtete der Rentner darauf, auf eine Durchsetzung des Verbots zu klagen und zog sein Schlichtungsgesuch zurück.
Seit Jahren verfeindet
Im Herbst 2020 liess der Einsprecher, ein Holzbauer, seinen Anhänger auf dem betroffenen Grundstück abstellen. In der falschen Annahme, dass das Verbot nun für jedermann gelte, zeigte der Grundbesitzer den Holzbauer bei der Polizei an. Die Staatsanwaltschaft Oberland schickte dem Holzbauer einen Strafbefehl wegen Widerhandlung gegen das Verbot und brummte ihm eine Ordnungsbusse von 40 Franken sowie Gebühren in der Höhe von 100 Franken auf. Gegen den Strafbefehl wehrte sich der Gebüsste mit einer Einsprache. So landete der Fall vor dem Regionalgericht in Thun.
Das Beweisverfahren machte rasch deutlich, dass sich der Kläger und der Beklagte seit Jahren spinnefeind sind. Der Rentner polterte, der Holzbauer habe nicht nur widerrechtlich einen Anhänger auf seinem Grundstück abgestellt. Er habe ihm auch Holz gestohlen und «eine riesige Sauerei» hinterlassen. Der Beklagte machte geltend, nicht er, sondern eine Drittperson habe den Anhänger dorthin gestellt. Ausserdem sei es für eine ortsunkundige Person nicht ersichtlich, dass das Grundstück mit einem Verbot belegt wurde. Der Beklagte verlangte einen Freispruch. Beide Parteien waren ohne Anwälte vor Gericht erschienen.
Der Kanton trägt die Kosten
Nach weniger als einer Stunde Anhörung verkündete Gerichtspräsident Jürg Santschi das Urteil: Der Holzbauer wurde freigesprochen und erhielt für seinen Erwerbsausfall eine Entschädigung von 200 Franken. Die Gerichtskosten in der Höhe von 1400 Franken werden vom Kanton Bern übernommen.
Santschi riet dem Privatkläger, sich in Zukunft juristisch beraten zu lassen. Beim vorliegenden Streit handle es sich nämlich um einen «glasklaren Fall». Nach einer Einsprache gegen ein Parkoder Fahrverbot müsse der Grundeigentümer laut Zivilprozessordnung seinen Anspruch mit einer Klage durchsetzen. Tue er dies nicht, gelte das Verbot für den Einsprecher nicht, erläuterte der Richter.
Wohl nicht der letzte Prozess
Der Privatkläger liess sich von den Ausführungen des geduldigen Gerichtspräsidenten nicht beirren und stürmte weiter. Wütend warf er dem Gericht indirekt vor, «das Recht gebogen zu haben», was Richter Santschi umgehend zurückwies.
Das Urteil vom vergangenen Freitag war nicht die erste Niederlage des Rentners gegen den Holzbauer. Und es wird wohl auch nicht der letzte Konflikt gewesen sein, den die beiden vor Gericht austragen. Ob der Privatkläger das Urteil vom Freitag ans Obergericht weiterziehen wird, liess er offen. Gerichtspräsident Santschi machte aber klar, dass der Rentner bei einem Weiterzug damit rechnen müsse, zur Bezahlung der Gebühren und Gerichtskosten verurteilt zu werden.