Sie klopfte an jede Frutiger Haustür
30.04.2021 Frutigen, PorträtEinst machte Rita Schwob mit einer ungewöhnlichen Spendenaktion auf sich aufmerksam. Vor vier Jahren musste die gebürtige Ostschweizerin ihre zweite Heimat Frutigen verlassen. Kürzlich kehrte sie erstmals ferienhalber zurück. Ihr Aufenthalt war aber zu kurz, um all ihre Freunde zu ...
Einst machte Rita Schwob mit einer ungewöhnlichen Spendenaktion auf sich aufmerksam. Vor vier Jahren musste die gebürtige Ostschweizerin ihre zweite Heimat Frutigen verlassen. Kürzlich kehrte sie erstmals ferienhalber zurück. Ihr Aufenthalt war aber zu kurz, um all ihre Freunde zu besuchen.
KATHARINA WITTWER
Viele FrutigerInnen dürften sich an Rita Schwob erinnern. Die heute 76-Jährige klopfte 2007 mit einem roten Sparschwein an jeder Haustüre der Gemeinde an, um für den Wiederaufbau des am 22. Juni 2006 ausgebrannten Hallenbads Geld zu sammeln. Sie habe weder die Öffentlichkeit gesucht noch Ruhm einheimsen wollen, blickt sie auf ihr damaliges Engagement zurück. Vielmehr wollte sie mithelfen, dass die hiesigen Kinder die Möglichkeit hatten, schwimmen zu lernen. Sie selbst lernte erst spät schwimmen, nämlich als sie zum dritten Mal mit ihrem damaligen Ehemann Ferien am Meer verbrachte. Ihr Respekt vor dem Wasser kommt daher, weil ihr als Kind eingebläut wurde, sich von der nahen und unberechenbaren Thur fernzuhalten.
Regelmässige Berichterstattung im «Frutigländer»
Nach dem damaligen Beschluss, das Hallenbad wieder aufzubauen, wurde die Bevölkerung aufgerufen, Aktien zu je 500 Franken zu zeichnen. «Ich konnte mir mit meiner IV-Rente keine leisten und wusste, dass es vielen anderen ebenso erging. Deshalb nahm ich mir vor, in jedem Frutiger Haushalt mindestens einen Franken zu sammeln.» Da die an Polyarthritis und Osteoporose leidende Frau wusste, dass tägliches Marschieren für die Gesundheit förderlich ist, stand der Ausführung ihrer Idee nichts mehr im Wege.
Vom Frühling bis Herbst 2007 war sie fast täglich zu Fuss unterwegs. An einige Orte musste sie dreimal hingehen, bis jemand zu Hause war. Natürlich wurde sie nicht überall mit offenen Armen empfangen. Doch die schönen Erlebnisse, die Einladungen zum Kaffee oder zum Zmittag sowie die vielen Menschen, die sie kennenlernte, wogen die wenigen negativen Erlebnisse auf. Die Bilanz konnte sich sehen lassen: Mehr als 13 000 Franken lieferte sie auf der Bank ab. Regelmässig informierte sie die Abonnenten des «Frutigländers» über den gesammelten Betrag und zweimal erschien in dieser Zeitung ein grösserer Artikel zum Thema.
Die fleissige Sammlerin wäre auch zur Wiedereröffnung eingeladen gewesen. Weil sie nicht gerne in der Öffentlichkeit steht, blieb sie den Feierlichkeiten aber fern. Vom Hallenbad-Abonnement, das sie geschenkt erhielt, machte sie nur wenige Male Gebrauch, «weil ich mich mit der Einteilung der Garderobe nicht anfreunden konnte».
Das Chalet heisst wie «ihr» Getränk
Auch nach Abschluss ihrer Sammeltour war die gebürtige Ostschweizerin oft zu Fuss unterwegs. «Laufed Si Ihrer Osteoporose dervoo!», hatte ihr die Ärztin schon vor ihrem Umzug ins Oberland geraten. Ihre Krankheiten seien zwar nicht heilbar, hätten dank der vielen Bewegung aber merklich gebessert.
Nie hätte sie gedacht, das Tal wieder zu verlassen, denn Frutigen ist zu ihrer zweiten Heimat geworden. Doch 2017 wurde der Wohnblock im Oberland restauriert und die Mieter mussten ausziehen. Da sie in der Nähe nichts Passendes fand, kehrte sie in eine altersgerechte Wohnung in die Nähe ihres Sohnes zurück.
Während der zwölf Jahre in Frutigen sind viele Freundschaften entstanden. Vor allem mit Familie Trummer vom Grassi ist Rita Schwob in regem Kontakt geblieben. «Trummers nahmen mich auch auf Ausflüge mit und zeigten mir das Berner Oberland. Ich hingegen musste ihnen oft einen ‹Sunshine› anbieten. Das ist ein Longdrink aus Eierlikör und Fanta.»
Kürzlich verbrachte Rita Schwob zum ersten Mal nach ihrem Wegzug knapp zwei Wochen Ferien in Frutigen. Es versteht sich von selbst, dass sie in der einstigen Wohnung der inzwischen verstorbenen Grossmutter Trummer weilte. Das Chalet heisst heute übrigens «Sunshine». Unschwer zu erraten, was für die Namensgebung Pate gestanden ist ...
«Die Zeit war zu kurz, alle Bekannten zu treffen», bedauert Rita Schwob. Auch war es unmöglich, schnell ins Dorf ein Brot kaufen zu gehen. Auf der Strasse wurde sie nämlich jedes Mal angesprochen. In der Zwischensaison im Herbst will sie wieder kommen. Bereits jetzt freut sie sich auf viele schöne Begegnungen und auf das bald erwartete neue Kaufmann-Trummer-Familienmitglied.