KOLUMNE – NACHHALTIG
04.05.2021 KolumneZum CO2-Gesetz und zur Wirtschaft
Ich versuche eigentlich, mit meiner Kolumne Themen aufzugreifen, die nicht auch zeitgleich die Tageszeitungen und die «Smart Media»-Welt dominieren. Mit der kommenden Abstimmung zum CO2-Gesetz in zwei Monaten komme ich aber nicht umhin, ...
Zum CO2-Gesetz und zur Wirtschaft
Ich versuche eigentlich, mit meiner Kolumne Themen aufzugreifen, die nicht auch zeitgleich die Tageszeitungen und die «Smart Media»-Welt dominieren. Mit der kommenden Abstimmung zum CO2-Gesetz in zwei Monaten komme ich aber nicht umhin, an Zweifler, Freiheitsliebende, Sparsame, Reisefreudige, Gewohnheitstiere, SVP-Gläubige, Kaminfeger, Autohändler, einzelne Gastronomen und an Staatsmüde zu appellieren, dass ein Ja zum CO2-Gesetz nur ein kleiner Zwischenschritt in einer unvermeidbaren Entwicklung unserer (Energie-)Gesellschaft ist. Und dass diese Entwicklung für sie alle auch wirtschaftlich Sinn ergibt.
Es ist kein Zufall, dass ich im Folgenden ausschliesslich wirtschaftlich argumentiere. Denn mangels grundsätzlicher Argumente fokussiert die Gegnerschaft voll auf die individuellen Mehrkosten, die bei einer Annahme des Gesetzes anfallen würden: «12 Rappen teureres Benzin, höhere Mieten wegen CO2-Abgabe auf Heizöl, Flugticketabgabe von durchschnittlich 50 Franken, teurere Haussanierungen wegen Wärmepumpen» ... Diese Abstimmungstaktik ist durchsichtig: Wenn nur genügend einzelne, mit CO2-Abgaben belastete Stimmwillige gefunden werden, dann ist das CO2-Gesetz gebodigt!
Ist es so simpel? Nein, denn die Schweiz besteht nicht nur aus einzelnen Bürgern, sondern auch aus einer Gesellschaft, die volkswirtschaftlich funktioniert. Das heisst vereinfacht, dass alle Wertschöpfung in der Schweiz zum Wohlstand jedes Einzelnen beiträgt. Je mehr aber im Ausland von anderen Ländern produziert und von uns eingekauft wird, desto mehr Geld fliesst dorthin – und unser Wohlstand nimmt ab.
Volkswirtschaftlich nachhaltig: Was heisst das bezüglich Energie? Wir haben die Wahl, weiterhin fossile Energie aus zweifelhaften Ländern für 13 Milliarden Franken pro Jahr einzukaufen oder selbst möglichst viel erneuerbare Energie in der Schweiz zu produzieren. Da diese Energie mit Wasser, Holz, Sonne und Wind dezentral erzeugt wird, profitieren insbesondere Unternehmen in Berg- und Randregionen – weshalb das CO2-Gesetz auch von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) unterstützt wird. Ich kann mir kein passenderes Argument für die hiesige SVP vorstellen als «100 Prozent Energie aus der Region». Dass ausgerechnet diese Partei statt unserer Volkswirtschaft nun die Einzelinteressen des Autogewerbes, der Erdölimporteure und des Ölheizungsgewerbes unterstützt, ist für mich nicht nachvollziehbar und mittelfristig auch riskant. Es gibt genügend Beispiele von schmerzhaften wirtschaftlichen Niedergängen, wenn einzelne Bereiche zu lange geschützt wurden. Bekannte Beispiele sind die Stahl- und Kohleindustrien in Deutschland.
Das neue CO2-Gesetz soll Unternehmen mit stabilen Rahmenbedingungen darin unterstützen, nachhaltig und treibhausgasarm zu wirtschaften. Das hilft, Fehlinvestitionen zu vermeiden und sichert damit auch Arbeitsplätze – gerade bei uns. Denn es werden viele heimische Branchen wie die Holzwirtschaft, das Baunebengewerbe oder der Cleantech-Bereich direkt vom CO2-Gesetz profitieren. Ein Teil der oben genannten Abgaben fliesst in Forschung und Entwicklung, sodass innovative Unternehmen in neue klimafreundliche Technologien investieren und diese erfolgreich auf den Markt bringen können. Damit kann die Schweiz einen Beitrag zur Lösung des globalen Klimaproblems leisten und sich gleichzeitig eine starke Position in neuen Technologiebereichen sichern – was uns auch hier unabhängiger vom Ausland macht. Ah, schon wieder ein SVP-Slogan.
SAMUEL B. MOSER
NACHHALTIG@BLUEWIN.CH