Manche Gewerbler fürchten die Normalität nach der Krise
04.05.2021 WirtschaftZu Beginn der Pandemie bangten viele Unternehmen um ihre Existenz. Bis heute blieben Massenkonkurse jedoch aus, im Tal scheint die Stimmung beinahe entspannt. Die Sache hat bloss einen Haken.
JULIAN ZAHND
Die Zahl, die letztes Jahr innerhalb der Gastroszene kursierte, ...
Zu Beginn der Pandemie bangten viele Unternehmen um ihre Existenz. Bis heute blieben Massenkonkurse jedoch aus, im Tal scheint die Stimmung beinahe entspannt. Die Sache hat bloss einen Haken.
JULIAN ZAHND
Die Zahl, die letztes Jahr innerhalb der Gastroszene kursierte, machte Eindruck: Jedes dritte Restaurant könnte von einer Schliessung infolge von Corona betroffen sein. Die Befürchtung wurde von manchen Frutigländer Wirtinnen und Wirten geteilt und auch das übrige Gewerbe blickte mit einem unguten Gefühl Richtung Zukunft.
Mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie scheinen diese Ängste weit weg von der Realität zu sein, wie eine Umfrage bei Frutigländer Gewerbevereinen zeigt. «Wir hatten riesiges Glück», sagt etwa Fritz Künzi. Der Präsident des Gewerbevereins Adelboden ist Optimist. Zwar hätten Restaurants und auch Läden phasenweise in den sauren Apfel beissen müssen. Doch der Entscheid des Bundesrates, die Bergbahnen laufen zu lassen, habe dem Dorf die Wintersaison gerettet. «Verglichen mit dem Ausland waren die Massnahmen in der Schweiz moderat. Natürlich hätte der eine oder andere Grund zum Jammern. Bringen tut das aber nichts.»
Subventionen frieren den Markt ein
Auch Andreas Trachsel, Präsident des «Frutig-Gwärbs», betont, dass die Pandemie nicht nur Verlierer hervorgebracht habe. «Branchen wie das Baugewerbe oder die Metallindustrie hatten kaum Umsatzeinbussen zu verzeichnen. Bei vielen sind die Auftragsbücher voll.» Wie in anderen Gemeinden auch, stellte Trachsel zudem eine «Rückbesinnung auf die Regionalität» fest, von der das lokale Gewerbe ganz allgemein profitiert habe.
Weder Trachsel noch Künzi können Betriebe nennen, die der Pandemie zum Opfer gefallen sind. Die weitgehend entspannte Lage deckt sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen einer Studie, welche die Berner Fachhochschule kürzlich durchgeführt hat. Im Vergleich zum letzten Jahr fürchten noch halb so viele Unternehmen um ihre Existenz. Zudem sei kein markanter Rückgang der Investitionstätigkeit zu verzeichnen – ein Indiz dafür, dass sich die Wirtschaft in einem stabilen Zustand befinde.
Doch aus all diesen positiven Signalen zu schliessen, die Wirtschaft habe die Krise einfach so weggesteckt, wäre verfrüht. Die milliardenschweren Hilfspakete der öffentlichen Hand in Form von Kurzarbeitsentschädigungen, Härtefallgeldern oder zinslosen Darlehen beschönigen das Bild nämlich massiv. Gemäss Experten gebe es zu wenig Konkurse, verkündete die Zeitung «Der Bund» Mitte März sogar. Im Frutigland wird diese These gestützt. «Eine gewisse ‹Untersterblichkeit› bei den Betrieben ist schon feststellbar», sagt Andreas Trachsel. Die Darlehen des Bundes seien beispielsweise ohne grössere Abklärung der Kreditwürdigkeit eines Betriebs ausbezahlt worden. Daher hätten wohl auch Unternehmen Subventionen erhalten, die in normalen Zeiten leer ausgegangen wären und die Bilanz hätten deponieren müssen.
Braucht es Überbrückungsgelder?
So paradox das tönt: Was derzeit etliche Unternehmen im Tal fürchten, ist die Rückkehr zur Normalität, dem «Tag X», wie ihn Trachsel nennt, ab dem die finanzielle Unterstützung eingestellt wird. Viele Betriebe hätten sich in der veränderten Situation eingerichtet, wüssten aber nicht, ob sie sich auch ohne Subventionen über Wasser halten könnten. Als Beispiel nennt der Präsident des «Frutig-Gwärbs» die Eventbranche oder Gastrobetriebe, die einen erheblichen Teil ihres Umsatzes mit Banketten und Seminaren generieren. «Bis hier das Geschäft wieder läuft, braucht es einige Vorlaufzeit. Die Unterstützung für solche Betriebe sollte daher auch nach den letzten Lockerungsschritten noch einige Zeit weiterlaufen.»
Das Amt für Wirtschaft des Kantons Bern nennt auf Anfrage keinen solchen «Tag X». Allerdings sei davon auszugehen, dass das Bundesprogramm «Härtefallunterstützung» nicht mehr bis Ende Jahr laufe. Das Vollzugsprogramm des Kantons Bern ist derzeit so konzipiert, dass bis Ende Juli Gesuche eingereicht werden können. Zur konkreten Forderung nach Überbrückungsgeldern im Sinne Andreas Trachsels äussert sich der Kanton nicht. Das Amt für Wirtschaft betont jedoch, dass es gewisse Übergangslösungen bereits heute gebe. «Branchen mit behördlich angeordneten Schliessungstagen werden bereits heute weiterhin vollständig unterstützt, auch wenn sie beispielsweise den Aussenbereich geöffnet haben können.»