ZWISCHEN BERG UND BERN - Merci no, Guy – Zum 5. Todestag eines Meisters
18.05.2021 KolumneMerci no, Guy – Zum 5. Todestag eines Meisters
Vor fünf Jahren trauerte die Musikwelt um David Bowie, Prince und George Michael. Mich hat damals besonders der Tod von Guy Clark im Mai 2016 persönlich berührt. Mit seinem grossartigen Album «Old Friends» spielte er ...
Merci no, Guy – Zum 5. Todestag eines Meisters
Vor fünf Jahren trauerte die Musikwelt um David Bowie, Prince und George Michael. Mich hat damals besonders der Tod von Guy Clark im Mai 2016 persönlich berührt. Mit seinem grossartigen Album «Old Friends» spielte er 1989 in Frutigen beim Singer-Songwriter-Festival, und Gott sei Dank hat mein Vater damals die CD gekauft und Guy Clark damit in mein Leben gebracht. Sein letztes Album, «My Favourite Picture Of You» von 2014, könnte man Clarks Bestes nennen, muss man aber nicht, weil es ein Wettbewerb unter zu vielen Gleichwertigen wäre. Guy Clark wurde nicht belanglos mit dem Alter, sondern zunehmend konsequenter in seiner Art, schlichte, aber clever komponierte Folkmusik mit einfühlsamen und sprachlich extrem treffenden Texten zu machen.
«Ain’t no money in poetry, that’s what sets the poet free.» Mit Poesie wird niemand reich, das macht die Poet*innen frei, hat er mal gesungen. So war das auch: Ein Star wurde Guy Clark nie. Aber Generationen von Singer-Songwriter*innen haben bei ihm und seiner Frau Susanna am Küchentisch ihre Songs getestet, ihre Stimmen gefunden und viele von ihnen haben auch Clarks Songs aufgenommen und sie berühmter gemacht als ihren Urheber. Steve Earle, Rodney Crowell, Steve Young, Emmylou Harris, Lyle Lovett, Rosanne Cash, die Liste ist lang. Nach und nach haben sich die aussergewöhnliche Sorgfalt und die Kompromisslosigkeit seiner Lyrik herumgesprochen, am Ende seines Lebens hatte er dann doch fast alle Ehrungen mal bekommen, die in seiner Ecke des Musikbusiness vergeben werden.
Wie vermutlich für viele Leute in Frutigen hat Country- und Singer-Songwriter-Musik auch für mich etwas Nostalgisches. Ich werde nie wissen, ob mich diese Musik auch berühren würde, wenn das Frutiger Festival nicht den Soundtrack meiner Kindheit und Jugend geprägt hätte. Vaters Kassetten im Familienauto haben tiefe Spuren hinterlassen: Die Songs von Emmylou Harris oder Kris Kristofferson sind für mich so vertraut wie «Ds Buurebüebli» oder «Stets i Truu re». Wie vermutlich viele Leute damals vor der Bühne habe auch ich die Texte kaum verstanden. Diese Dimension hat sich mir später erschlossen, und dafür bin ich enorm dankbar.
«You’ve got to sing like you don’t need the money, dance like nobody’s watching, it’s gotta come from the heart if you want it to work.» Du musst singen, als ob du das Geld nicht bräuchtest, tanzen, als ob dich niemand sehen könnte, es muss von Herzen kommen, wenn es was werden soll. Der Text ist von Susanna Clark, das musste ich hören als junger Musiker.
«I’m through being lonesome, I’m through being sad, I’m all through throwing good love after bad.» Fertig mit der zelebrierten Traurigkeit, fertig damit, Liebe dort zu verschwenden, wo sie niemand will. Auch das musste mir gesagt werden in einer gewissen Lebensphase.
«He said my back is bendin’ low but my spirit’s flyin’ free. This ol’ bag of bones ain’t really me», liess Guy Clark einen alten Mann sagen. Der Rücken ist krumm, aber der Geist ist frei, dieser alte Sack Knochen, das bin nicht wirklich ich. Auch das tut mir gut zu hören für die Begegnungen mit Menschen, denn wer ist schon «wirklich» der sichtbare Sack Knochen, egal wie lottrig oder frisch man daherkommt? Blicke in den Spiegel, wie sie gute Songs eben sein können, die einem zuerst ein bisschen weh, dann aber ziemlich gut tun. Ich bringe einen Toast aus auf Guy Clark und sende ihm ein grosses Dankeschön. Auf ihn und all die anderen Poet*innen, mit deren Bildern für uns das Leben und seine doppelten Böden plötzlich fassbar werden.
(Apropos «Sing like you don’t need the money»: So wichtig es ist, Kunst nicht wegen des Geld zu machen: Um sie weitermachen zu können, braucht man dann eben doch ein bisschen Geld. Falls Sie auch dankbar sind für die Bereicherung unseres Alltags durch die Kultur: Bald gibt es eine wichtige Gelegenheit, Dankbarkeit zeigen zu können: Ein Ja zum bevorstehenden Covid-Gesetz hilft nämlich, dass möglichst viele von uns die unverschuldete Krise auch überstehen und danach weiterarbeiten können.)
CHRISTOPH TRUMMER