HAUSGEMACHT - Glottisschlag
08.06.2021 KolumneGlottisschlag
Wissen Sie, was der Glottisschlag ist? Man nennt ihn auch Knacklaut. Wir benutzen diesen Laut in der deutschen Sprache schon seit jeher. «Otto» beginnt zum Beispiel mit einem Glottisschlag, unsere Stimmritzen verschliessen sich für einen kurzen Moment, als ...
Glottisschlag
Wissen Sie, was der Glottisschlag ist? Man nennt ihn auch Knacklaut. Wir benutzen diesen Laut in der deutschen Sprache schon seit jeher. «Otto» beginnt zum Beispiel mit einem Glottisschlag, unsere Stimmritzen verschliessen sich für einen kurzen Moment, als würde man den Atem anhalten. Den Glottisschlag müssen wir aber auch bei einigen zusammengesetzten Wörtern einsetzen, um deren Bedeutung klarzumachen. Zum Beispiel so beim «Spiegel ei» oder «ver eisen». Würden wir diese Wörter ohne Knacklaut aussprechen, wäre die Bedeutung eine andere.
Bis jetzt habe ich diesen Knacklaut eingesetzt ohne zu wissen, dass dieser Laut, den man gar nicht hört, sogar einen Namen trägt.
Nun erlebt der Glottisschlag einen regelrechten Boom. Nachdem man sich in den letzten Jahren angewöhnt hat, in weiblicher und männlicher Form zu sprechen, muss man sich nun angewöhnen, zusätzlich auch noch den Glottisschlag miteinzubauen. Es heisst jetzt also nicht mehr «Liebe Leserinnen und Leser» sondern «Liebe Leser*innen». Das Sternchen steht für den auszusprechenden Glottisschlag. Und dieser kurze Verschluss unserer Stimmbänder steht dann für alle Menschen, die sich nicht in die Kategorie von männlich oder weiblich pressen lassen wollen. Das Sternchen soll Raum bieten für die ganze Vielfalt der Geschlechter. Und so setzen wir künstliche Pausen in unsere Sprache. Fernseh- und Radiomoderator*innen sprechen mit künstlichen Lücken, um allen Menschen gerecht zu werden.
Dieses sogenannte «Gendersternchen» wurde letztes Jahr in die Neuauflage des Dudens aufgenommen. Die LGBTIQ-Bewegung hat lange dafür gekämpft, gekämpft um Anerkennung und um einen Platz in der Gesellschaft. Auch wenn unsere Gesellschaft schon viel offener geworden ist, selbstverständlich ist es noch nicht, alle Farben des Geschlechts zu akzeptieren.
Ich gebe zu, ich tue mich schwer mit dem Gendersternchen. Ich muss präzisieren: Ich tue mich überhaupt nicht schwer mit dem LGBTIQ-Spektrum, auch wenn die Aussprache und die richtige Reihenfolge der Buchstaben jedes Mal eine Herausforderung ist. Aber ich tue mich schwer damit, dieses Gendersternchen in der gesprochenen Sprache einzusetzen. Bis jetzt habe ich es zum Beispiel noch nicht geschafft, die Gemeindeversammlung mit «Liebe Kandersteger*innen» zu eröffnen. Ich frage mich, ob wir die Akzeptanz und das Verhalten gegenüber Menschen, die sich mit diesem Sternchen identifizieren, mit einem sprachfremden Glottisschlag beeinflussen können.
Aber wie so oft im Leben braucht es wahrscheinlich diesen kurzen Moment des Innehaltens, um über unser Verhalten nachzudenken, auch wenn es nur für den Augenblick eines Glottisschlages ist.
BARBARA JOST
BAEBU.JOST@BLUEWIN.CH
Anm. der Red.: Die im Text verwendete Abkürzung LGBT kommt aus dem Englischen und steht für Lesbian, Gay, Bisexual und Trans, also für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transmenschen. LGBTIQ schliesst auch intergeschlechtliche (I) und queere Menschen (Q) mit ein.