WAREN AUS DEM UNTERGRUND
Die Zukunft spielt sich in der Luft ab – jahrzehntelang schien das der Konsens zu sein. Kaum ein Sci-Fi-Film kam ohne fliegende Autos oder schwebende Skateboards aus. Doch mittlerweile ist der Himmel wieder out. Flugscham ist das Wort der ...
WAREN AUS DEM UNTERGRUND
Die Zukunft spielt sich in der Luft ab – jahrzehntelang schien das der Konsens zu sein. Kaum ein Sci-Fi-Film kam ohne fliegende Autos oder schwebende Skateboards aus. Doch mittlerweile ist der Himmel wieder out. Flugscham ist das Wort der Stunde.
Wer hat die Zeichen der Zeit mal wieder als Erste erkannt? Die Schweiz! Das Land sieht seine Zukunft unterirdisch. Mehrere namhafte Unternehmen wollen einen Tunnel zwischen dem Genfer- und dem Bodensee bauen. Auf einem Streckennetz von insgesamt 500 Kilometern und mit Zwischenstationen in wichtigen Logistikzentren sollen Waren künftig auch per U-Bahn transportiert werden – und zwar ohne Fahrer. Mittels vollautomatischer Aufzüge («Hubs») gelangen die Güter an die Oberfläche und werden von dort aus weiterverteilt.
Auch wenn es so klingen mag: Eine Spinnerei ist diese Idee längst nicht mehr. Die Aktiengesellschaft «Cargo Sous Terrain» arbeitet mit Hochdruck an ihrem Projekt und bekommt dabei Rückenwind vom Bundes- und vom Ständerat. Am Dienstag hat die kleine Kammer dem gesetzlichen Rahmen für die U-Bahn zugestimmt – mit fast überschwänglicher Begeisterung. Über die Parteigrenzen hinweg wird «Cargo Sous Terrain» als innovativ und richtungsweisend gelobt.
Ich selbst bin ein wenig über das Tempo gestolpert, mit dem die Güter «sous terrain» bewegt werden sollen: 30 km/h. Da ist man vom überirdischen Transport Schnelleres gewöhnt. Andererseits: So etwas wie flies senden Verkehr gibt es ohnehin kaum noch. Zu Stosszeiten wäre man mancherorts froh, wenn man wenigstens mit 30 Sachen vorankäme. Und der Lufttransport ist in der kleinräumigen Schweiz ja auch keine Option. Insofern scheint die Untertunnelung des Landes naheliegend.
Allerdings muss man es eben richtig machen! Was beim Bohren im Untergrund passieren kann, zeigt das Beispiel Köln. Bei der dortigen U-Bahn-Erweiterung geriet erst ein Kirchturm in gefährliche Schieflage. Dann tat sich ein Loch auf und verschluckte das Stadtarchiv. Dokumente von unschätzbarem Wert gingen verloren.
All das wird hierzulande natürlich nicht passieren. Wenn die Schweiz eines kann, dann Löcher bohren.
BIANCA HÜSING
B.HUESING@FRUTIGLAENDER.CH