SERVICE AUF RÄDERN
Die Situation ist paradox: Nach monatelanger Zwangspause können die Restaurants endlich wieder öffnen. Entsprechend ungeduldig dürfte das Personal sein, endlich wieder an die Arbeit zu gehen – könnte man meinen. Doch ist es gerade umgekehrt, ...
SERVICE AUF RÄDERN
Die Situation ist paradox: Nach monatelanger Zwangspause können die Restaurants endlich wieder öffnen. Entsprechend ungeduldig dürfte das Personal sein, endlich wieder an die Arbeit zu gehen – könnte man meinen. Doch ist es gerade umgekehrt, landesweit herrscht teils massiver Fachkräftemangel. Offenbar haben viele Arbeitnehmer die Zeit genutzt, sich beruflich umzuorientieren. Manche ausländischen Arbeitskräfte sind zudem in ihre Heimat zurückgekehrt und dort geblieben.
Nun sei Kreativität gefragt, heisst es in der Branche. Am Angebot soll es nicht liegen. So machte ein findiges Unternehmen kürzlich Werbung für seinen Serviceroboter, der zuverlässig Geschirr abräume und dem Menschen somit jene Arbeit abnehmen soll, die ohnehin keinen Spass mache. «Wir wollen den Menschen im Gastrogewerbe nicht ersetzen», beteuert das Unternehmen zwar. Unplausibel scheint das dennoch nicht, denn schliesslich könne das «kleine Technikwunder» nicht nur Hindernisse orten und diese gekonnt umkurven, sondern auch Menschen erkennen und sie ansprechen.
Die Vorteile einer Vollautomatisierung des Servicepersonals lägen ja auf der Hand: Keine schlecht gelaunten Kellner mehr (laut Entwicklern lächeln die Hightech-Serviceroboter stets freundlich auf ihrem Display). Weniger Scherben («Gleichgewichtstechno logie») und stets korrekt berechnetes Rückgeld. Zudem ginge von ihnen keine Infektionsgefahr aus. Und vor allem wären die Roboter nicht wählerisch: Sie würden schwierige Gäste mit derselben maschinellen Freundlichkeit behandeln wie alle anderen und sich zudem auch von keiner Pandemie vertreiben lassen.
Auch die Frage, was mit all den verbleibenden Kellnern passieren würde, wäre schnell geklärt. Sie könnten beispielsweise als Programmierer amten, die das elektronische Personal dahingehend dressieren, dass das Lächeln bei ungenügendem Trinkgeld rasch einem grimmigen Gesichtsausdruck weicht. Möglicherweise würden so die Betriebsumsätze gar noch steigen, denn was gibt es Bedrohlicheres als eine wütende Maschine, die direkt vor einem steht.
JULIAN ZAHND
J.ZAHND@FRUTIGLAENDER.CH