Unterricht mit Schiefertafel und Sackmesser
29.06.2021 Krattigen, Bildung|SchuleVom 21. bis zum 25. Juni führte die Schule eine Projektwoche unter dem Motto «Schule gestern – heute – morgen» durch. In altersgerechten Workshops und historischen Lektionen lernten die Kinder viel über den Alltag früherer Generationen.
Vom 21. bis zum 25. Juni führte die Schule eine Projektwoche unter dem Motto «Schule gestern – heute – morgen» durch. In altersgerechten Workshops und historischen Lektionen lernten die Kinder viel über den Alltag früherer Generationen. GALERIE MICHAEL SCHINNERLING Früher Pflicht, heute verboten Und was passierte seinerzeit, wenn man sich nicht benahm? «Es gab Stockschläge auf die ausgestreckte Hand oder der Lehrer legte die Kinder sogar übers Knie.» Es war eindrücklich, wie die Krattiger SchülerInnen das Erlernte aufnahmen. Als wäre es das Normalste auf der Welt, ordneten sie sich der alten Schulordnung unter. Abwechselnd mit Hannes Gasser gestaltete Bruno Chapuis den Unterricht am Montag. Feder, Griffel – und Essen wie vor 100 Jahren Am letzten Tag der Projektwoche wurden noch neun SchülerInnen der 6. Klasse coronakonform verabschiedet. Diese werden nach den Sommerferien die Oberstufenschule Aeschi-Krattigen besuchen. «Das Schulhaus und die herzliche Stimmung haben uns beeindruckt» Mehr zum Schulmuseum Bern erfahren Sie unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Eine alte Weltkarte, ein Schultornister aus früheren Tagen, eine Weltkugel von anno dazumal und ein Zählrahmen zierten das Klassenzimmer. Bilder von einer alten Dorfschmiede und von Murmeltieren hingen an der Wand. Im Raum waren 10 alte Schulbänke (Zweisitzer) aufgestellt. Etwas unruhig sassen die 20 Kinder an ihren Tischen, die Mädchen mit Schürzen und die Jungs mit Ärmelschonern. Als Schulmeister Bruno Chapuis vom Schulmuseum Bern den Raum betrat, wurde es nicht stiller. «Ihr redet nur, wenn ich euch aufrufe. Dafür meldet ihr euch», erklärte er mit strengem Blick. «Ich gehe noch einmal raus und wir üben, wie es früher war.» So verliess Chapuis das Zimmer und kam erneut herein. «Guten Morgen, liebe Kinder.» Zackig standen diese auf und antworteten: «Guten Morgen, Herr Schulmeister.» «Ihr dürft euch setzen, wir singen gemeinsam. Die grossen Buchstaben lest ihr, ich lese das Kleingedruckte. Verstanden?» Wie ein Chor erwiderten die Kinder: «Jawohl, Herr Schulmeister.» Doch zuerst wurde eine Kontrolle durchgeführt. Sind die Hände sauber? Haben die Mädchen ein Taschentuch dabei und die Jungs ein Sackmesser? Anschliessend ertönte in der Klasse: «A, A, A, der Winter, der ist da. Herbst und Sommer sind vergangen, Winter, der hat angefangen. A, A, A, der Winter, der ist da.» Eine Stunde lang wurde gesungen, gelesen, gerechnet – und es gab viel Wissenswertes über frühere Zeiten zu hören.
So wurde etwa erklärt, warum die Buben damals ein Sackmesser bei sich tragen sollten – was heutzutage verboten ist. «Um damit Holzspäne zu schneiden, mit denen im Winter der Ofen im Klassenzimmer angeheizt wurde», so der Schulmeister. Er schilderte: «Das Ofenrohr glühte rot und die Kinder vor dem Ofen schwitzten stark. Wer etwas weiter entfernt sass, trug eine Jacke, da der Ofen nicht den ganzen Raum erwärmte.»
Vom Kindergarten bis zur 6. Klasse waren die Kinder in verschiedenen Workshops der Projektwoche eingebunden. Feder, Griffel, Schiefertafel, Sport und Spiele wie vor 100 Jahren, Schulszenen im historischen Klassenzimmer, kochen, backen und essen – dies waren die Themen der Workshops. Voller Eifer wurden alte Spiele ausprobiert und Theater gespielt. Auf dem Pausenplatz brutzelten in einer Feuerschale Bratäpfel, und in einem Klassenzimmer wurden mit einem alten Bretzeleisen Bretzeli gebacken. «Je nach Alter der Kinder haben wir die Ateliers angepasst», erklärte die Schulleiterin Barbara Luginbühl-Sieber. Die jüngeren Kinder durften sich Ausschnitte aus einem alten «Heidi»-Film und die älteren den Film «Die sechs Kummer-Buben» anschauen, um sich das Leben von früher besser vorstellen zu können.
Den Einblick in frühere Unterrichtszeiten gewährten Hannes Gasser und Bruno Chapuis vom Schulmuseum Bern. «Wir wurden für die vier historischen Lektionen von der Schulleiterin, vom Kollegium und vom Hauswart sehr herzlich empfangen und bestens eingewiesen», so Chapuis. Sämtliches benötigte Mobiliar und Material war vorhanden und bereitgestellt. «Die Schürzen für die Mädchen und die Ärmelschoner für die Knaben brachten wir zusammen mit weiterem Material aus dem Schulmuseum mit. Alle vier Gruppen waren mit Begeisterung dabei, viele waren passend gekleidet – wie übrigens auch alle Lehrkräfte.» Den strengen Anweisungen der «historischen» Lehrkräfte wurde Folge geleistet. Auf der Schiefertafel wurden mit dem Griffel einige Buchstaben der deutschen Kurrentschrift gelernt, sodass schliesslich das Wort «Muni» geschrieben werden konnte. «Wenn nötig, wurde auch nach alter Manier mit (nur angedeuteten) Tatzen oder einer (gespielten) Tracht Prügel bestraft», erklärte Chapuis lächelnd. Er und Hannes Gasser wurden vom Krattiger Kollegium zum Pizza-Mittagessen eingeladen. «Sowohl das Schulhaus als auch die gute, herzliche Stimmung unter den SchülerInnen und unter den Lehrkräften haben uns sehr beeindruckt», meinten die beiden.