Vor 40 Jahren herrschte noch Lehrerüberschuss
25.06.2021 Adelboden, Bildung|SchuleDie eine wollte unbedingt nach Adelboden, die andere keinesfalls und die dritte suchte eine neue Herausforderung. Nun schauen drei Lehrerinnen dankbar auf je rund 40 Jahre in der Schulstube zurück.
KATHARINA WITTWER
Nach mehreren Stellvertretungen wollte Corina ...
Die eine wollte unbedingt nach Adelboden, die andere keinesfalls und die dritte suchte eine neue Herausforderung. Nun schauen drei Lehrerinnen dankbar auf je rund 40 Jahre in der Schulstube zurück.
KATHARINA WITTWER
Nach mehreren Stellvertretungen wollte Corina Schranz als Flight-Attendant zur damaligen Swissair. Freunde ermunterten die Thunerin jedoch, sich in Adelboden zu bewerben, was sie auch «halbherzig» tat, wie sie es ausdrückt. Statt einer einheimischen Mitbewerberin wurde sie 1980 gewählt. Das kam bei gewissen Leuten schlecht an und führte zu einem Aufstand, unter anderem mit Leserbriefen.
Am Montag vor Ostern trat sie ihre Stelle an und wollte über die Feiertage unbedingt nach Hause. «Die Strasse war gesperrt und mit meinem schwachen 2CV wäre ich auf der alten Strasse nicht weit gekommen.» In einem Restaurant wartete sie auf den Taxidienst ihres Vaters. «Die Gaststube war voller Männer und ich fühlte mich unwohl. Unter den Gästen weilte ein Lehrerkollege, der meine missliche Situation erkannte und mich zum Glück zu Hause absetzte.»
Ganz anders als erwartet, wurde sie herzlich aufgenommen, fand schnell Kontakt und lernte bald ihren zukünftigen Ehemann kennen. Auch bewogen sie die grossartigen Kinder zum Bleiben – und das sei bis heute so geblieben, betont sie. Schranz begann mit 1.- bis 2.-Klässlern, teilte mit einer Kollegin später die 3.- und 4.-Klassen und in den letzten Jahren unterrichtete sie 5.- und 6.-Klässler. «Ich habe mich immer selbst befördert», lacht sie.
Pflichtfach Schneekettenmontieren
Marianne Rüfenacht hatte ein Jahr an einer Haushaltungsschule unterrichtet, bevor sie 1985 ins Lohnerdorf kam. Zuerst als Stellvertreterin und bald in einem Vollpensum als Handarbeitslehrerin. Mehrere Jahre pendelte sie zwischen drei Schulhäusern hin und her, was im Winter mit Schneeschaufeln und Kettenmontieren verbunden war. «Vom Stiegelschwand ins Dorf wechselte ich in der grossen Pause. Am schnellsten ging das mit dem Schlitten!» Oft gestalteten sich die Donnerstagsfahrten in den Hirzboden abenteuerlich. Jeden Herbst übte sie mit ihrer Freundin Schneeketten montieren. Die Frauen erlebten manch lustige Episode, wenn sie miteinander dorthin fuhren und unterwegs stecken gebliebenen Fahrern ihre Hilfe anboten. «Den Männern war das oft peinlich», schmunzelt sie.
In den drauffolgenden Jahren unterrichtete sie verschiedene Fächer. Ihr Metier «Gestalten Textil» blieb aber ihr Steckenpferd. «Die meisten SchülerInnen lieben das Kreative, weil man sieht, wie ein Produkt entsteht.» Als einer der Höhepunkte nennt sie die Ausstellung in der Galerie Bleisch, in der eine Klasse ihre selbst hergestellten Werke zeigen durfte.
«Ich habe den richtigen Beruf gewählt»
Ihre ältere Schwester war bereits Lehrerin in Adelboden, als Therese Murer noch im Seminar war. «Ich war oft bei ihr und wollte unbedingt ins Lohnerdorf.» Weil wegen des damaligen Lehrerüberschusses keine Stelle frei war, arbeitete die frischgebackene Lehrerin im Sommer 1978 an der Kasse des Gruebibades. Unverhofft konnte sie im Ausserschwand eine Stelle übernehmen. «Ich musste auch dort wohnen, fühlte mich aber unwohl. Meistens war ich allein in diesem Haus und hatte Angst.» Sobald die Wohnpflicht aufgehoben wurde, zog sie in den Schwand und nach zehn Jahren wechselte sie ins Primarschulhaus im Dorf. Dort teilte sie mit ihrer Schwester eine Stelle. «Fast gleichzeitig wurden wir Mütter. Damit wir wieder in unseren Beruf einsteigen konnten, reduzierten unsere Ehemänner – wohl als erste in Adelboden – ihre Pensen. Mir war es stets wichtig, weder meine Rolle als Lehrerin noch diejenige als Mutter zu vernachlässigen.»
In den 43 Jahren hat Therese Murer viele Veränderungen beobachtet und mitgemacht. So waren Ohrfeigen für die Kinder (vor allem von den männlichen Kollegen) einst normal. Auch sei viel Unbeschwertheit verloren gegangen, sei es im Sport oder auf Ausflügen. Trotzdem schaut sie positiv zurück: «Ich habe den richtigen Beruf gewählt – die Kinder werden mir fehlen!»