Die Klimaanlage des Körpers
09.07.2021 GesundheitWer an heissen Sommertagen draussen arbeitet oder Freizeitaktivitäten frönt, benötigt irgendwann unweigerlich Abkühlung. Glücklicherweise verfügt der Körper über eine ausgeklügelte Wärmeregulation: Schwitzen ist die effizienteste, aber nicht die einzige Möglichkeit zum ...
Wer an heissen Sommertagen draussen arbeitet oder Freizeitaktivitäten frönt, benötigt irgendwann unweigerlich Abkühlung. Glücklicherweise verfügt der Körper über eine ausgeklügelte Wärmeregulation: Schwitzen ist die effizienteste, aber nicht die einzige Möglichkeit zum Herunterkühlen.
Sommertage locken ins Freie und Aktivitäten in der Wärme treiben die Körpertemperatur in die Höhe. Mit dem Klimawandel nehmen Hitzetage und extreme Temperaturen zu, wie zuletzt in Kanada zu sehen war. Körperliche Betätigungen bei der Arbeit, im Garten oder beim Wandern halten den Stoffwechsel auf Trab, und die mobilisierte Energie produziert Wärme.
Wie ein Thermostat
Ein aufgeheizter Körper benötigt Abkühlung. Doch nicht immer sind der Sprung ins kühlende Nass oder eine erfrischende Dusche möglich. Eine wirksame Wärmeregulation ist an heissen Tagen willkommen und für den Organismus sogar überlebenswichtig. Dafür sorgt das körpereigene Klimasystem, das die optimale Betriebstemperatur bei 36 bis 37 Grad hält. In diesem schmalen Bereich arbeiten der Stoffwechsel, die Hormone und die Enzyme ideal. In der Haut messen etwa 30 000 Wärmefühler (Thermorezeptoren, freie Nervenendigungen) fortlaufend die Temperatur. Im Schnitt finden sich pro Quadratzentimeter Haut zwei Wärme- und zehn Kälterezeptoren. Diese melden ihre Messwerte laufend an Schaltzellen im Rückenmark, von wo aus sie ans Gehirn weitergeleitet werden. Dort sitzt, tief verschachtelt und gut geschützt, der Hypothalamus. Das lebenswichtige Regulationszentrum ist die oberste Instanz zur Aufrechterhaltung eines konstanten inneren Milieus und passt die Reaktion des Organismus bei Belastungen an.
Wie in einem Thermostat sind im Hypothalamus je ein Sollwert für die Körperkerntemperatur und die Hauttemperatur festgelegt, die fortlaufend mit den aktuellen Ist-Werten abgeglichen werden. Je nach Abweichung löst das Steuerzentrum über das vegetative Nervensystem und über Hormone Korrekturen aus, um die Temperatur wieder auf Kurs zu bringen.
Hitzewellen sind eine Gefahr für Herzkranke
Zu seiner Abkühlung nutzt der Körper simple Physik. Durch Wärmeleitung – energiereiche Teilchen schwingen – geben sie ihre Energie an die unmittelbare Umgebung weiter. Der Blutstrom führt überschüssige Energie in Richtung Haut an die kühlere Körperoberfläche. Zu einem geringen Teil kann ein erhitzter Körper über seine Oberfläche Wärme abstrahlen – wie ein Heizkörper. Durch die erweiterten Blutgefässe sinkt der Blutdruck, das Herz muss häufiger pumpen und leistet Mehrarbeit. Dies kann zu Schwindel führen. Hitzewellen sind für Herzkranke daher ernst zu nehmende Gefahren.
Die wirksamste – und bei Temperaturen über 36 Grad die einzige – Methode zur Abkühlung ist jedoch die Verdunstung des Schweisses auf der Haut. Durch die Verdunstungskälte entsteht eine angenehme Kühle. Um Wasser um 1 Grad zu erwärmen, ist rund viermal mehr Energie nötig als zur Erwärmung von Luft. So leistet die Verdunstung den grössten Beitrag dazu, dem Körper Energie zu entziehen.
Zwei bis fünf Millionen Schweissdrüsen zählt die menschliche Haut, die meisten von ihnen befinden sich auf den Innenflächen der Hände, an den Fusssohlen (über 300 pro Quadratzentimeter) und auf der Stirn. Sie willkürlich zum Schwitzen zu bringen, geht nicht. Nur ein Reiz des vegetativen Nervensystems kann sie anstossen.
Schweiss ist farb- und geruchlos und besteht zu 99 Prozent aus Wasser. Bei der Ausscheidung kommen Mineralsalze, Fettsäuren, Spuren von Ammoniak und Harnsäure hinzu. Für seinen unangenehmen Geruch sind Bakterien der Haut verantwortlich. Sie bauen die Fettsäuren ab, wobei die übel riechende Buttersäure und die stechende Ameisensäure entstehen.
Verlorene Flüssigkeit und Mineralsalze regelmässig ersetzn
Unter normalen äusserlichen Bedingungen und ohne wesentliche Anstrengung produziert der Körper 100 bis 200 ml Schweiss pro Tag. Abhängig von Temperatur, Tätigkeit und individueller Veranlagung kann dies variieren. Starkes Schwitzen bei körperlicher Anstrengung in der Hitze ist normal und wichtig. Je höher die Belastung ist und je länger sie andauert, desto mehr müssen die Schweissdrüsen produzieren, um den Körper abzukühlen. Bei intensivem Sport an heissen Tagen verliert der Körper bis zu zwei Liter Flüssigkeit pro Stunde, für gut trainierte Ausdauersportler sind Werte bis fünf Liter beschrieben.
Über den Schweiss gehen auch wertvolle Mineralstoffe verloren, die dann für wichtige Körperfunktionen fehlen: Magnesium für die Muskelarbeit und den Energiestoffwechsel, Calcium für die Aktivierung von Muskeln und Nerven, Natrium fürs Auslösen von Nervenimpulsen sowie die Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Darm und Kalium für eine stabile Funktion von Nerven, Muskeln und Zellen.
Regelmässig kleine Mengen zu trinken, ist am effizientesten für die Auffüllung der Flüssigkeitsspeicher und die Aufnahme der verlorenen Mineralsalze. Calcium und Magnesium sind in hohem Masse in Mineralwasser und Milch enthalten. Ein ideales Sportgetränk aus der eigenen Küche besteht aus zwei Dritteln Mineralwasser, einem Drittel Apfelsaft und einer Prise Salz. Süssgetränke, Cola und Energiedrinks enthalten zu viel Zucker, was die Aufnahme von Mineralien ins Blut erschwert. Vorsicht: Kalte Getränke signalisieren dem Körper, seine Wärmeregulation hochzufahren. Besser sind temperierte Getränke oder lauwarme Bouillon.
Clever Essen bei Hitze heisst, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten: frische Lebensmittel mit vielen Mineralien und vor allem wasserreiche Gemüse und Früchte wie Tomaten oder Melonen. Viele Mineralstoffe finden sich in Trockenfleisch und Dörrfrüchten.
Abnehmen durch Schwitzen?
Leider zeigt die Waage unmittelbar nach einer körperlichen Anstrengung nur die halbe Wahrheit an. Sobald nämlich der Flüssigkeitsverlust ausgeglichen ist, ist auch das Körpergewicht wieder «normal». Gewicht zu verlieren funktioniert nur, wenn über längere Zeit mehr Energie verbraucht als zugeführt wird.
BEAT INNIGER, OFFIZIN-APOTHEKER FPH, ADELBODEN
Die drei goldenen Verhaltensregeln bei Hitze
1. Körperliche Anstrengungen vermeiden (vor allem während der heissesten Tageszeit) und schattige Orte bevorzugen.
2. Hitze fernhalten, Körper kühlen:
• tagsüber Fenster schliessen und Sonne fernhalten, nachts lüften;
• leichte Kleidung tragen;
• kühl duschen oder baden;
• kalte, feuchte Tücher auf Stirn, Nacken, Armen und Waden erfrischen den ganzen Körper.
3. Viel trinken, leicht essen:
• regelmässig trinken, auch ohne Durst; mindestens 1.5 Liter / Tag;
• kalte, erfrischende Speisen essen: Früchte, Salate, Gemüse, Milchprodukte;
• auf ausreichende Versorgung mit Salz achten;
• verderbliche Nahrungsmittel im Kühlschrank aufbewahren.
QUELLE: BUNDESAMT FÜR GESUNDHEIT