«Ich will bestimmt nicht Kurdirektor werden!»
24.08.2021 TourismusEs sind anstrengende Wochen für René Müller. Adelboden steckt mitten in der Sommersaison, das von ihm geführte Hotel Alpina ist gut gebucht, «sogar besser als erwartet», wie Müller berichtet. Neben seinem Job als Hoteldirektor ist der 53-Jährige Präsident der Bergbahnen Adelboden – und seit Kurzem auch Verwaltungsratspräsident der TALK AG.
Vor allem dieses neue Amt fordert derzeit Müllers Aufmerksamkeit. Bereits Anfang August fand ein Workshop statt, in dem die künftige Ausrichtung der TALK beraten wurde. An der Generalversammlung vom 16. August wurde der neue, grössere Verwaltungsrat der Tourismusorganisation gewählt. Zwei Tage danach, am Mittwoch, fand in Frutigen ein Treffen statt, an dem die TALK-Mitarbeitenden informiert wurden. Es sei ein guter Anlass gewesen, erzählt Müller. Natürlich gebe es eine gewisse Unsicherheit. «Aber wir konnten Fragen beantworten und gute Anregungen entgegennehmen.»
Am Nachmittag desselben Tages traf sich dann der neue Verwaltungsrat zu seiner ersten Sitzung. Danach stand Müller dem «Frutigländer» für Fragen zur Verfügung.
René Müller, die Zusammensetzung eines Verwaltungsrats sagt auch etwas aus über den Kurs eines Unternehmens. Wie wurden die VR-Mitglieder der TALK AG ausgewählt? Und vor allem: Von wem?
Nach den Forderungen von TALK-Aktionären ist der alte Verwaltungsrat im Mai zurückgetreten bzw. trat nicht zur Wiederwahl an. Danach sind wir aktiv geworden: Es gab eine Findungskommission, die mögliche Mitglieder angefragt hat. Wichtig war uns dabei, dass das Gremium breit abgestützt und regional besser verankert ist. Das war im alten Verwaltungsrat zu wenig berücksichtigt.
Sie sprechen die regionale Verankerung an, die gerade innerhalb der TALK AG besonders wichtig ist. Im neuen Verwaltungsrat kommt Adelboden diesbezüglich recht gut weg. Ist das so gewollt?
Alle TALK-Gemeinden müssen im Verwaltungsrat vertreten sein, das war klar. Dass Adelboden nun ein gewisses Schwergewicht hat, war aber nicht gesucht oder gewollt, sondern hat sich während des Findungsprozesses so ergeben.
Sie als VR-Präsident sind gleichzeitig auch Präsident der Bergbahnen Adelboden. Auch Zufall?
Als Hotelier habe ich mich schon länger für Veränderungen innerhalb der TALK AG eingesetzt. Ich fand, dass die Hoteliers zu schlecht in die Entscheidungsprozesse integriert waren. Insofern lag es nahe, dass ein Hotelier VR-Präsident wird – wenn man immer fordert, dann muss man auch zur Verfügung stehen, wenn es ernst gilt. Dass ich gleichzeitig Präsident der Bergbahnen bin, haben wir im Hotelierverein durchaus kritisch diskutiert. Weil die Hotellerie nun aber selbst gut vertreten ist im Verwaltungsrat, lief es am Ende auf mich hinaus.
Da Sie gerade die Hotellerie ansprechen: Das Segment ab vier Sternen aufwärts ist im Verwaltungsrat nicht vertreten.
Das liegt einfach daran, dass die Hotellerie nicht so gut organsiert ist wie etwa die Bergbahnbetreiber in der IGSAL, der Interessengemeinschaft der Wintersport-Transport-Unternehmungen Skiregion Adelboden-Frutigen und Lenk. Hier ist der Hotelierverein gefragt, alle Stimmen einzubinden, auch diejenigen der Hotels mit mehr als drei Sternen.
Kommen wir zurück zur regionalen Verteilung im Verwaltungsrat. Sieben von zwölf Mitgliedern kommen aus Adelboden – besteht die Gefahr, dass die kleineren TALK-Gemeinden zu kurz kommen?
Ich glaube nicht. In vielem bleiben die Orte ja autonom, etwa bei der Leitung der Tourist Center oder bei der Verwaltung der Kurtaxen.
Aber irgendetwas wird sich ja schon ändern …
Richtig, Veränderungen wird es beim Marketing geben. Das Geld, das dafür zur Verfügung steht, wird mehr vor Ort bleiben. Das gibt den Gemeinden die Möglichkeit, ihre Marketingmassnahnen wieder stärker selbst zu steuern.
Aber heisst das nicht, dass manche Gemeinden weniger Mittel zur Verfügung haben werden als vorher? Weil der bisherige Verteilschlüssel nicht mehr angewandt wird?
Wie gesagt: Ich habe keine Angst, dass einzelne TALK-Gemeinden zu kurz kommen werden. Wir werden «die Kleinen» nicht vergessen. Letztlich ist der Geldbetrag, der überhaupt frei ist, auch gar nicht so gross.
Gerade beim Thema Geld haben Sie sich mehr Transparenz auf die Fahne geschrieben. Was ist damit gemeint?
Die freien Gelder wurden bisher von der TALK-Geschäftsleitung verwaltet und eingesetzt. Wir Leistungsträger fühlten uns dabei häufig nicht ausreichend informiert oder sogar übergangen. Das wollen wir ändern.
Urs Pfenninger hat im Interview mit dem «Frutigländer» das Gegenteil behauptet: Man habe an Vorstandssitzungen der Tourismusvereine oder an anderen Treffen stets vollumfänglich informiert.
Was soll ich sagen? Das ist seine subjektive Wahrnehmung. Meine Wahrnehmung war eine andere, nämlich dass wir oft vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Es kann doch nicht sein, dass die TALK AG eine Winterkampagne plant und diese nicht mit den Bergbahnen koordiniert!
Das ist so geschehen?
Das ist genau so passiert. Die TALK AG hat eine Kampagne geplant, und die IGSAL hat ihre eigene Kampagne aufgegleist. Das werden wir nun anders machen. Wir wollen bei der Planung näher an den Leistungsträgern sein – das ist das, was wir mit Bottom-up-Ansatz meinen.
Nun haben wir schon mehrmals übers Marketing und die Planung der Massnahmen gesprochen. Die bisherige Geschäftsführung der TALK AG hat jedoch stets betont, dass sie mehr sein möchte als eine Marketingagentur. Wird sich der neue Verwaltungsrat auch um die Tourismusentwicklung kümmern?
Die Tourismusentwicklung wird weiterhin bei der TALK AG angesiedelt sein, auch im Kontakt mit dem Kanton. Aber das Marketing muss zurück zu den Leistungsträgern.
Hat es nicht auch Vorteile, wenn eine gewissermassen neutrale Stelle nicht nur die Tourismusentwicklung, sondern auch das Marketing koordiniert?
Neutralität ist schön und gut, aber das Geld kommt nun mal von den Leistungsträgern und den Gemeinden. Wir müssen gefragt werden!
Blicken wir also in die nahe Zukunft. Vor unserem Gespräch hat der neue Verwaltungsrat getagt. Was wurde dort beschlossen, welche Pflöcke haben Sie eingeschlagen?
Zunächst geht es darum, dass sich das neue Gremium konstituiert und die Aufgaben und Zuständigkeiten verteilt werden. Ziel ist es, bis Ende des Jahres die Strukturen zu klären und die Strategie bis 2022 zu erarbeiten. Als ersten Schritt haben wir heute das Transitionsteam bestätigt und seine Kompetenzen umrissen.
Dieses Tansitionsteam besteht aus fünf Mitgliedern des Verwaltungsrats, eines davon sind Sie selbst. Welche Aufgaben hat die Gruppe?
Sie wird den Übergang gestalten und dabei den Kontakt zum TALK-Personal halten. Mit der TALK-Geschäftsleitung werden wir definieren, wie es weitergeht.
Wie sieht die personelle Besetzung der Geschäftsleitung denn aus? Einen Direktor wird es ja vorerst nicht geben …
Richtig, der Direktor wird demnächst ausscheiden. Die Geschäftsführung wird vorübergehend aus Dominique Lüthy und Gabriela Reber bestehen. Beide haben auch bisher schon der Geschäftsleitung angehört. Die Arbeit der TALK-Geschäftsstelle und der örtlichen Tourismus Center wird im bewährten Rahmen weiterlaufen. Die Finanzen sind gut organisiert, das Marketing bis Ende des Jahres ist gemacht.
Neben Urs Pfenninger als TALK-Direktor wird auch Ralf Wildhaber ausscheiden, der bisherige Leiter Projekte & Tourismusentwicklung.
Bei der Tourismusentwicklung haben wir personell gesehen das grösste Loch. Da muss man schauen, wie es weitergeht. Aber das ist für uns vorerst nicht existenziell. Zuerst einmal werden wir prüfen, welche Projekte weiterlaufen sollen und das Vorhandene konsolidieren. Und dann eine Strategie für das kommende Geschäftsjahr entwickeln.
Das bedeutet aber, dass der Verwaltungsrat nun Aufgaben übernimmt, die bisher bei der Geschäftsleitung der TALK AG angesiedelt waren.
Aktuell ist das so, ja. Das kommende Jahr wird diesbezüglich eine Herausforderung. Aber dauerhaft soll das nicht so sein – ich will bestimmt nicht Kurdirektor werden! Mittelfristig soll die Geschäftsleitung der TALK AG wieder selbstständiger arbeiten. Der Verwaltungsrat wird sich dann wieder stärker der strategischen Ausrichtung widmen. Ob es einen Direktor oder einen Geschäftsführer geben wird, muss man sehen.
Werfen wir zum Abschluss einen Blick auf die überregionale Ebene. Die TALK AG ist gebunden an die Tourismusstrategie des Kantons. Wie lief in dieser Umbruchsituation die Kommunikation mit Bern?
Wir haben die Politik jeweils über unsere Schritte informiert, und nach der nun erfolgten Wahl des neuen Verwaltungsrats werden wir uns demnächst mit Vertretern des Kantons zusammensetzen. Das Konstrukt TALK AG als solches war ja trotz der Umstrukturierungen nie gefährdet, der Zuschnitt bleibt gleich.
Die Lenk will nach wie vor kein «Vollmitglied» der TALK AG sein – auch das hat sich nicht geändert.
Das ist so, aber unsere Zusammenarbeit als solche ist nicht infrage gestellt, und mit Markus Zäch haben wir bewusst einen Vertreter der Lenk in den Verwaltungsrat geholt. Insgesamt glaube ich, dass wir mit der TALK AG auf dem richtigen Weg sind: indem wir mehr Leute einbinden und besser informieren.
INTERVIEW MARK POLLMEIER
Kündigung in Adelboden
Für das Tourist Center Adelboden und das ebenfalls dort ansässige Mountain Lab sucht die TALK AG derzeit eine neue Leitung. Die bisherige Leiterin Ilona Klama hat gekündigt. Dies habe jedoch nichts mit den derzeitigen Umstrukturierungen innerhalb der TALK AG zu tun, so VR-Präsident René Müller. Der Wechsel sei unabhängig von der aktuellen Entwicklung innerhalb der Tourismusorganisation geplant gewesen.
POL