Das «Adelbodenhaus» machte den Anfang
03.08.2021 AdelbodenGESCHICHTE Seit 50 Jahren steht ein Adelbodner Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert im Freilichtmuseum Ballenberg. Es war das erste historische Gebäude, das dort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Doch zuvor hatte es am alten Standort so manchen Besitzerwechsel erlebt – und den Beginn des Tourismus.
HANS HEIMANN
Das «Adelbodenhaus», wie es im Freilichtmuseum Ballenberg genannt wird, war ursprünglich vermutlich als Grundhaus konzipiert, sprich: Es wurde als ganzjährig bewohntes Gebäude genutzt. Später diente es wohl nur zu einer gewissen Zeit im Jahr als Weidhaus. Es stand während fast 300 Jahren am Fuss des Grosslohners, im Bunderli, eine halbe Wegstunde oberhalb von Adelboden, und war Sitz verschiedener Generationen. Als Erbauer wird ein schon etwas älterer Landwirt in der Giebelinschrift erwähnt. Seine Frau sei damals 71 Jahre, er selbst 77 Jahre alt gewesen. «Diss Haus baut Thomas Gyger har Als Er 77 Jahr alt Wahr und Sein Weib 71 zelt ist so gebohren auff die Weld B.S.H.» Nach Gygers Tod ging das Gebäude in den Besitz von Christen und Madlena Längacher-Lauber über. Nach dem Hinscheiden Madlenas, die ihm vier Kinder geboren hatte, heiratete Längacher die ebenfalls verwitwete Elsbeth Pieren. Gemäss Erbrecht wurde das Vermögen zwischen Witwer Christen Längacher und seinen Söhnen aufgeteilt.
Von Längachers an Schranz, dann an Hari
Somit wurde das Haus dem ältesten Sohn Christen Längacher übertragen, Ehemann von Elsbeth Aellig, die bereits eine Ehe mit Gilgian Senften hinter sich hatte. Nach Längachers Tod kam es zur Teilung der Hinterlassenschaft unter den Kindern aus beiden Ehen. Das Haus ging an die Nachkommen der bereits verstorbenen Tochter Anna und deren Mann Christian Buchs.
Nicht besonders rühmlich war der Lebenswandel eines späteren Besitzers, der seine öffentlichen Ämter für private Interessen missbrauchte. Gegen ihn leiteten die zuständigen Behörden ein Konkursverfahren ein. Er konnte jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen werden, da er unterdessen nach Amerika ausgewandert war. So gelangte die Liegenschaft in den Besitz des Gemeinderats Christian Schranz-Josi, der sie später an seinen Sohn Christian Schranz vererbte – und dieser wiederum an seinen eigenen Junior. Nach Gottlieb Jungen-Hari folgten Christian Hari-Germann und später dessen Sohn Christian Hari-Schild als Besitzer des Gebäudes.
Erweiterung zum Wirtshaus
Im Jahr 1901 erstellte der seinerzeit aktuelle Eigentümer Christian Hari-Schranz an der rückseitigen Giebelfront einen Anbau, der später als Gastwirtschaft genutzt wurde. Im Grundbuchamt wurde dieser explizit als Trinkhallenanbau aufgeführt, das Wirtschaftsschild lautete «Lohnerwasserfälle». Dies geschah zeitgleich mit dem aufkommenden Tourismus in Adelboden, der vielen Bergbauern einen Zusatzverdienst ermöglichte. Das Haus stand praktischerweise direkt am Wanderweg ins Lohnergebiet. Ein Hinweis auf «frische Kuh- und Ziegenmilch» lud Passanten zur Einkehr ein. Für die englischen Touristen hingegen musste eigens Tee zubereitet werden – ein Getränk, das der Familie Hari damals unbekannt war.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Gasthaus empfindliche Einbussen, und so wurde es vermehrt als Massenlager angeboten. Der Restaurantteil fand als Essraum Verwendung. In den folgenden Jahren wurde das Obergeschoss als Ferienlager – Schlafen auf Stroh – an junge Leute vermietet.
Vom Ferienlager zum Museumsgebäude
Nachkomme Christian Hari, Begründer des Tourismus in Adelboden, liess am alten Standort ein neues Gebäude errichten, das hauptsächlich der Unterbringung von Ferienlagern diente. Hari dachte dabei an sogenannte «kleine Leute», deren Portemonnaie nicht für einen Hotelaufenthalt reichte. Er war davon überzeugt, dass sich diese jungen Gäste, wenn sie einmal betuchter wären, gerne an den Ferienort ihrer Jugend zurückerinnern und zurückkehren würden. Obschon nicht alle im Dorf seiner Meinung waren und er teils sogar verspottett wurde, liess Hari sich nicht beirren und führte sein ungewohntes Konzept von Fremdenverkehr weiter. 1967 schenkte er das Haus dem sich im Entstehen befindenden Freilichtmuseum Ballenberg. Daraufhin wurde das Gebäude, erbaut im sogenannten Frutigstil, bei dem sich Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem Dach befinden, im Winter 1967/68 Stück für Stück abgebaut und in einem aufwendigen Transport nach Brienz gebracht. Hier erfolgte im Sommer 1969 der Wiederaufbau.
Authentisches Beispiel des Frutiger Stils
Mit der «Umsiedelung» dieses ersten Gebäudes wollten die Museumsverantwortlichen ein typisches Beispiel der Frutigländer Hauslandschaft darstellen. Zu diesem Zweck brachten sie einige Rekonstruktionen beim Wiederaufbau an, die am alten Standort nicht oder nicht an der Stelle existierten. Mit diesem Gebäude mussten auch Erfahrungen in Bezug auf die sach- und fachgerechte Präsentation und Erhaltung der Einrichtungsgegenstände gewonnen werden. Seit 1971 steht es im Schweizerischen Freilichtmuseum Ballenberg. Wie das «Thuner Tagblatt» berichtete, wurde das «Adelbodenhaus» nach der Aufrichtfeier und der Präsentation gegenüber den Medien im Juli 1971 als erstes Museumsobjekt den Besuchern zugänglich gemacht.
Aktuell arbeiten Forschende der Universität Basel und der Berner Fachhochschule, ausgehend von historischen Bauernhäusern im Schweizerischen Freilichtmuseum Ballenberg, die Lebensgeschichte von Häusern und deren Bewohnern auf. Einer von ihnen ist der Luzerner Stefan Kunz, der sich für seine Doktorarbeit ausführlich mit dem «Adelbodenhaus» auseinandergesetzt hat. Seine Arbeit diente als Quelle für diesen Text.
Weitere Quelle: Hausmonografie Bauernhaus Adelboden von Brigitta Strub, Basel