Die Schweiz wird in Deutschland Europameister
31.08.2021 SportVom 27. bis 29. August fand in Wesel (Nordrhein-Westfalen) die «kleine Fussball-EM» der Parlamentsmitglieder statt. Die Teilnehmer, viele von ihnen weit über 40 Jahre alt, gaben wieder einmal alles. Das schönste Tor gelang dabei einem Frutiger – den Gastgebern dagegen glückte ...
Vom 27. bis 29. August fand in Wesel (Nordrhein-Westfalen) die «kleine Fussball-EM» der Parlamentsmitglieder statt. Die Teilnehmer, viele von ihnen weit über 40 Jahre alt, gaben wieder einmal alles. Das schönste Tor gelang dabei einem Frutiger – den Gastgebern dagegen glückte überhaupt nichts.
MARK POLLMEIER
Die Schweiz, Österreich und Deutschland – es ist zugegeben eine nicht ganz vollständige Nationenmischung, die sich am vergangenen Wochenende im Weseler Auestadion traf. Doch das Turnier hat Tradition; in diesem Jahr wurde es schon zum 48. Mal ausgetragen.
Eigentlich wäre Finnland der Ausrichter gewesen. Wegen der Pandemie und dem laufenden Bundestagswahlkampf verlegte man das Treffen nach Deutschland, Finnland wollte aber teilnehmen. Doch im letzten Moment sagten die nördlichsten Teilnehmer ab – gemäss Medienberichten hatte der finnische Parlamentsrat den Politikern die Ausreise wegen der Corona-Risiken untersagt. So kamen diesmal also nur deutschsprachige Politiker an den Niederrhein, und die Organisatoren mussten kurzfristig den Spielplan anpassen.
Über den Rhein mit der «River Lady»
Neben dem Turnier gab es ein Rahmenprogramm. Dabei von Völkerverständigung zu sprechen, wäre vielleicht etwas zu hoch gegriffen. Aber der internationale Austausch über alle Fraktionen hinweg ist fester Bestandteil dieser kleinen Fussball-EM und wurde auch diesmal gepflegt. So kamen die Parlamentarier bereits am letzten Donnerstag zu einem gemeinsamen Abendessen zusammen. Am Freitag unternahmen sie dann mit dem Schiff «River Lady» eine Fahrt über den Rhein.
Im Mittelpunkt stand aber der Fussball. Das ist insofern nicht selbstverständlich, als die meisten beteiligten Kicker nicht mehr zu den Jüngsten gehören. So betrug das Durchschnittsalter im deutschen FC Bundestag rund 50 Jahre, mit Alois Karl von der CSU stand sogar ein Spieler von 70 Jahren auf dem Platz. Wer nun denkt, Champions-League-Niveau sei da wohl kaum zu erwarten, täuscht sich. Doch dazu später.
Die Eröffnung durch die Weseler Bürgermeisterin Ulrike Westkamp und das Luftwaffenmusikkorps Münster, das die Nationalhymnen spielte, gaben dem Drei-Nationen-Treffen den Anstrich eines grossen internationalen Turniers. Titelverteidiger aus dem Jahr 2019 war Österreich, das im ersten Spiel auf den deutschen FC Bundestag traf. Der konnte den erhofften Heimvorteil nicht nutzen: Die deutschen Parlamentskicker schossen kein einziges Tor, die Österreicher zwei. Die gegnerischen Parlamentarier seien eben jünger gewesen, klagten die enttäuschten Deutschen nach der Auftaktbegegnung.
«Man muss es probieren»
Im zweiten Spiel trafen dann die beiden Alpenrepubliken aufeinander – und der Schweizer FC Nationalrat lehrte die Kollegen aus Österreich das Fürchten. Am Ende hiess es SUI – AUT 5:0. Dem fleissig twitternden Nationalrat Matthias Aebischer (SP) ist es zu verdanken, dass die Welt auch ausserhalb des 60 000-Einwohner-Städtchens Wesel vom «Tor des Turniers» erfuhr. Im Match gegen Österreich erzielte Jürg Grossen (glp) einen Treffer mit einem seitlichen Fallrückzieher – in Brasilien auch «bicicleta» genannt, weil die Beinbewegung jener beim Velofahren ähnelt. «Da applaudierte sogar der Schiri», schrieb Aebischer auf Twitter zu Grossens Tor. «Einen auf tausend Versuche trifft man so, aber diesmal hat es geklappt», kommentierte der Frutiger seinen spektakulären Einsatz gegenüber der «NZZ am Sonntag». «Man muss es immer wieder probieren.» Grossen war seit 2013 an allen länderübergreifenden Turnieren dabei – 2012 hatte er den Arm gebrochen und blieb nur deswegen zu Hause. Im Spiel FC Nationalrat gegen FC Bundestag am Samstag zeigte sich, dass die aktuelle Schwäche des deutschen Fussballs sich auf die Parlamentsmannschaft ausgedehnt hatte. SUI – GER 6:0 lautete das Ergebnis nach 2 mal 30 verregneten Minuten. Vor allem die Spieler Lars Guggisberg (SVP) und der Schaffhauser Hannes Germann (SVP) waren mit je zwei Treffern kaum zu stoppen, aber auch Jürg Grossen traf erneut.
Siegerehrung im Westfalen-Stadion
Österreich und Deutschland haushoch geschlagen: Nach 2018 ist die Schweiz also erneut Europameister, jedenfalls auf der Ebene der Parlamentsmannschaften.
Nach der aus Schweizer Sicht erfolgreichen Partie erwartete die Gäste am späten Samstagnachmittag noch ein Highlight: Die Siegerehrung fand im «Signal Iduna Park» in Dortmund statt. In dem 80 000-Plätze-Stadion, in dem der BVB seine Heimspiele austrägt, gab es anschliessend noch eine Führung und ein Abendessen mit Blick aufs Spielfeld. «Es war sehr beeindruckend», schildert Jürg Grossen das Erlebnis. Er sei schon seit den Zeiten von Stéphane Chapuisat BVB-Fan. Der aus Lausanne stammende Stürmer war von 1991 bis 1999 beim BVB unter Vertrag. «Heute verfolge ich die Spiele des Vereins, wenn immer möglich – jetzt mit drei Schweizer Torhütern und Manuel Akanji natürlich erst recht», so Grossen
Am Sonntagnachmittag kehrten die erfogreichen Schweizer Parlamentskicker mit dem Bus in die Heimat zurück.
Die Torschützen des FC Nationalrat
Gegen Österreich: Nationalrat Jürg Grossen (zwei Tore); je ein Tor durch die Nationalräte Matthias Aebischer, Nils Guggisberg und Joachim Tomaschett (Parlamentsdienste).
Gegen Deutschland: Nationalräte Lars Guggisberg und Hannes Germann (je zwei Tore); Daniel Floris (Parlamentsdienste) und Nationalrat Jürg Grossen (je ein Tor).
Eine Bildstrecke vom Turnier in Deutschland finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html
Die kleine Fussball-EM der Parlamentarier
Seit 1971 messen sich Deutschland, Österreich und die Schweiz an einem internationalen Fussballturnier der Parlamentarier, seit 1977 ist Finnland mit dabei. Gastgeber ist jedes Jahr ein anderes der vier Länder. Neben dem Spiel auf dem Rasen stehen auch jeweils kulturelle Aktivitäten und der interparlamentarische Dialog auf dem Programm. Nachdem das letztjährige Turnier coronabedingt abgesagt werden musste, fand das diesjährige in Wesel (Deutschland) statt. Gespielt wird in der Regel 2 mal 30 Minuten mit 10 Minuten Pause. Bisher erfolgreichste Mannschaft ist der FC Nationalrat aus Österreich.
Im Jahr 2005 wurde das Turnier aufgrund eines Todesfalls abgebrochen: Nationalrat Jost Gross (Thurgau, SP) brach mitten in einem Spiel zusammen und verstarb mit 59 Jahren.
QUELLE: PARLAMENTSDIENSTE, BERN
Warum spielt gerade Finnland an der interparlamentarischen EM mit?
Toni Bortoluzzi, als Nationalrat und ehemaliger Captain des FC Nationalrat, weiss die Antwort: «Die Finnen kamen 1977 ins Turnier. Dies hatte offenbar politische Gründe: Zur Zeit des Kalten Krieges suchte Finnland – das an Russland grenzt – die Nähe zu Mitteleuropa, denn die Angst vor einer Machtübernahme durch die Sowjetunion war omnipräsent. Die Teilnahme am internationalen Fussballturnier war eine Möglichkeit, die Beziehungen zum Westen zu pflegen.» Das Parlamentsfussballturnier jener Zeit stellte gemäss Bortoluzzi einen bedeutenden diplomatischen Austausch zwischen den Ländern dar.
QUELLE: PARLAMENTSDIENSTE, BERN