Im Rohrbach fällt kein Schuss mehr
10.08.2021 Frutigen, SportDie Rohrbach-Schützen sind Geschichte. An seiner gut besuchten letzten Hauptversammlung löste sich der Traditionsverein auf. Zurück bleiben viele schöne Erinnerungen.
MARCEL MARMET
Die geforderte Sanierung des Kugelfangs sowie der fehlende Nachwuchs waren ...
Die Rohrbach-Schützen sind Geschichte. An seiner gut besuchten letzten Hauptversammlung löste sich der Traditionsverein auf. Zurück bleiben viele schöne Erinnerungen.
MARCEL MARMET
Die geforderte Sanierung des Kugelfangs sowie der fehlende Nachwuchs waren ausschlaggebend dafür, dass sich der Vorstand der Rohrbach-Schützen in jüngster Vergangenheit dazu durchgerungen hatte, den Verein aufzulösen. Bedingt durch Corona hatte sich, wie so vieles andere auch, dieser letzte offizielle Akt immer wieder verzögert. Am Freitag fand sich nun eine stattliche Schar im Simplonsaal in Frutigen zu diesem denkwürdigen und emotionalen Anlass zusammen. Präsident Werner Trachsel war wegen eines familiären Ernstfalls verhindert, und der Vizepräsident, Sami Trummer, war mit seinem Gleitschirm unglücklich in einem Birnbaum gelandet, sodass auch er nicht rechtzeitig zur Stelle sein konnte. Darum fiel die Leitung dieser Auflösungsversammlung der Sekretärin Silvia Schmid und dem Kassier Martin Trachsel zu. Die beiden meisterten ihre Aufgabe souverän und die anwesenden Mitglieder waren mit dem vom Vorstand vorgeschlagenen Vorgehen in allen Punkten einverstanden.
1948 stritten fünf Bewerber um den Posten des Kassiers
Neben den statutarischen Traktanden liess man anhand einer PowerPoint-Präsentation die über 80-jährige Geschichte des Vereins Revue passieren. Geschossen wurde im Rohrbach schon viel länger. 1933 wurden dann die Rohrbach-Schützen durch die Fusion dreier, in den Frutig-Spissen aktiver Schiessvereine gegründet. Mithilfe von Protokollauszügen wurde den Anwesenden die Entwicklung des Vereins vor Augen geführt. So betrug die sogenannte «Unterhaltungsgebühr» im Gründungsjahr 1.30 Franken – gegenüber dem letzten Mitgliederbeitrag von 70 Franken eine kleine Summe. Der Siegespreis am Ausschiesset war lange Zeit ein Lebendpreis in Form eines Schafs im Wert von 80 Franken. Später gab es ein Schwein im gesteigerten Wert von 100 Franken. Offenbar war die Durchführung eines Ausschiesset lange Zeit immer wieder umstritten und musste alljährlich durch eine ausserordentliche Hauptversammlung abgesegnet werden.
Im Jahr 1948 fand für die Nachfolgeregelung des Kassiers eine Kampfwahl unter fünf (!) Anwärtern statt. Von solchen Zuständen träumt heutzutage sicher mancher Vereinspräsident, wenn es darum geht, vakante Chargen zu besetzen. Im Jahr 1958 bemängelte der Oberzeiger, dass er bei einem Stundenlohn von 1.20 Franken Mühe habe, Zeiger zu finden. Daraufhin wurde an der HV der Stundensatz auf zwei Franken erhöht, was zur Folge hatte, dass sich nun zu viele für das Zeigeramt bewarben.
Zwischen Tradition und Moderne
In Erinnerungen schwelgend, dachten die Vereinsmitglieder auch an verschiedene kantonale und eidgenössische Schützenfeste zurück, von denen die «Rohrbacher» meist erfolgreich zurückkehrten. Doch viel wichtiger als der sportliche Erfolg war im Rohrbach immer der kameradschaftliche Aspekt. Dieser kam auch bei der Errichtung der Schützenstube, die vollumfänglich in Fronarbeit erstellt wurde, und bei vielen anderen Vereinsaktivitäten zum Tragen. So war es auch kaum verwunderlich, dass die Emotionen am Freitag im Simplonsaal hoch gingen. Frutigens Gemeinderatspräsident Hans Schmid dankte den Anwesenden für ihre wertvolle soziale Tätigkeit im Tal. Schliesslich hätten die Schützen vielen Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung ermöglicht. Schmid ermunterte die Aktiven, an ihrem Sport in einem anderen Verein festzuhalten und die Kameradschaft weiterhin zu pflegen.
Auch wenn die Rohrbach-Schützen ihre Traditionen hatten, verschlossen sie sich nicht den allgemeinen Neuerungen. Das Schützenhaus verfügte über eine moderne elektronische Trefferanzeige, und Frauen wurden gerne im Verein aufgenommen. Mit Denise Schmid amtierte die erste Frau als Schützenmeisterin. Vreni Trachsel war die erste Frau, die vom Verband Oberländer Schützenveteranen VOSV als Mitglied aufgenommen wurde.
Neue Funktion fürs Schützenhaus – und für die Vereinsfahne
Das Schützenhaus im Rohrbach war Eigentum der Gemeinde, und die Schützen mussten alle beweglichen Teile zurückbauen. Die Gemeinde konnte das Gebäude veräussern, es dient neu als Standort einer Bienenzucht. Die Scheiben und die Trefferanzeige wurden von der Schützengesellschaft Reichenbach übernommen.
Ein grosser Knackpunkt im Zuge der Vereinsauflösung war die Frage, was mit der Vereinsfahne passieren sollte. Anfragen beim Schützenmuseum und bei der Kulturgutstiftung Frutigland brachten keine Lösung. Daher wurde entschieden, die Fahne in Stücke zu zerschneiden und als kleine Bilder in Holzrahmen an Interessierte zu verteilen. In dieser Form wird die Erinnerung an die Rohrbach-Schützen hoffentlich noch einige Generationen weiterleben.