Wildcampen: Der unliebsame Trend setzt sich fort
24.08.2021 Kandersteg, NaturWährend die Gemeinde eine Entspannung der Lage beobachtet, hat man am Oeschinensee noch immer mit Camperscharen zu kämpfen. Um das Verbot besser durchsetzen zu können, greift die Alpkorporation nun durch.
BIANCA HÜSING
«Ich habe direkt am See gezeltet. ...
Während die Gemeinde eine Entspannung der Lage beobachtet, hat man am Oeschinensee noch immer mit Camperscharen zu kämpfen. Um das Verbot besser durchsetzen zu können, greift die Alpkorporation nun durch.
BIANCA HÜSING
«Ich habe direkt am See gezeltet. Wahrscheinlich fragt ihr euch, ob das erlaubt ist. Ist es nicht. Und falls ihr euch nicht sicher seid: Es gibt dort riesige Schilder.» Derlei «Geheimtipps» findet man so einige im Netz, wenn man nach «Camping» und «Oeschinensee» sucht. Sie sind Teil des Problems, mit dem Christoph Wandfluh sich zunehmend herumschlagen muss. Der Sektretär der Alpkorporation Oeschinenholz und Inhaber des Berghotels findet immer mehr Wildcamper auf dem Areal vor – oder deren Hinterlassenschaften. «In der Ferienzeit und an Wochenenden sind es 40 Zelte pro Abend. Einmal haben wir sogar 60 gezählt!», so Wandfluh. Das Problem sei nicht ein einzelnes Zelt, sondern die grosse Menge.
Alternative für die «Anständigen» geplant
Unter Wildcampern gilt normalerweise eine Art Verhaltenskodex, dessen oberste Regel lautet: «Hinterlasse nichts als Fussstapfen». Wie Wandfluh anerkennt, halten sich auch viele daran. Doch bekanntlich bestätigen Ausnahmen die Regel. «Ein gewisser Anteil weiss eben überhaupt nicht, sich zu benehmen. Manchmal zelten hier ganze Gruppen, die sich betrinken, grölen, Flaschen zerschlagen, Abfall liegen lassen und laut Musik hören.» Für Familien mit Kindern sei es nicht besonders angenehm, morgens beim Wandern auf «Alkoholleichen» zu treffen. Hauptleidtragende seien aber die Natur und die Tiere, die durch Lärm, Kot und nächtliche Lagerfeuer gestört würden.
Bisher hatten die Grundeigentümer praktisch keine Handhabe gegen die wachsende Camperschar. Hinweisschilder allein bewirken wenig, wie das Eingangszitat einer tschechischen Bloggerin zeigt. «Um die Polizei kommen zu lassen und im Extremfall Anzeige erstatten zu können, brauchen wir als Grundeigentümer eine klare rechtliche Grundlage.» Zusammen mit ihrem Fürsprecher hat die Alpschaft daher ein richterliches Verbot ausgearbeitet und im letzten «Frutiger Anzeiger» publiziert (s. Kasten). «Ich finde es sehr schade, dass wir das tun mussten», beteuert Christoph Wandfluh. «In einer Tourismusregion sind Verbote unschön.» Um wenigstens den «anständigen Campern» eine Alternative zu bieten, suche man aktuell nach einem geeigneten Platz, auf dem Campieren mit klaren Regeln möglich sein soll. «Diesen würden wir mit WC, Abfallkübel und Grillstelle ausstatten und 10 bis 15 Leuten gegen einen kleinen Aufpreis – inklusive Kurtaxe – zur Verfügung stellen.» Der Platz müsse sich daher in der Nähe vorhandener Infrastruktur befinden und an einem Ort, wo weder Tiere noch Landwirte gestört werden. Nur so liesse sich das Problem langfristig in den Griff bekommen und eine Lösung für die verschiedenen Interessen finden, ist Wandfluh überzeugt.
Wirksame Flyer aus der Verwaltung
Doch nicht nur Privatgrundbesitzer haben ihre Mühe mit Wildcampern. Auch die Gemeinde Kandersteg sah sich letztes Jahr dazu gezwungen, gegen diesen Trend vorzugehen und ein neues Polizeireglement auszuarbeiten (der «Frutigländer» berichtete). Mithilfe dieses Reglements und einer entsprechenden Ausbildung bei der Kantonspolizei kann die Gemeinde nun Bussen gegen Wildcamper verhängen – und gegen Falschparkierer, die zuletzt ebenso überhand genommen hatten. Doch wie die Verwaltung auf Nachfrage mitteilt, war ein solches Eingreifen bisher nicht nötig. Durch gezielte Information und Prävention – etwa durch die Beschilderung beliebter Parkplätze und das Bespielen von Onlineplattformen – habe sich die Situation bereits entspannt. «Im Zusammenhang mit dem Wildcampen wurden Flyer in Umlauf gebracht. Diese haben sich als äusserst effektiv erwiesen», heisst es in einem Schreiben der Verwaltung. Wildcamper würden mithilfe der Flyer auf ihr Fehlverhalten und dessen Auswirkungen auf die Natur hingewiesen. «In den meisten Fällen hat dies die Situation direkt aufgelöst, somit wurden keine Bussen verhängt.»
Aktuell sei man dabei, die Wildcamper-Hotspots mit gut sichtbaren Verbotsschildern auszustatten. Dort, wo die Gemeinde grosse Menschenansammlungen erwartet, werden mobile Abschrankungen eingesetzt. Überdies werden nun alle zur Kontrolle beauftragten Personen mit einem entsprechenden Ausweis ausgestattet.
Der SAC startet eine Kampage
Auch wenn sich zumindest auf Kanderstegs öffentlichem Gemeindegebiet eine Verbesserung zeigt: Der Trend zum unerlaubten Übernachten im Freien hat sich offensichtlich nicht gelegt. In der ganzen Schweiz und darüber hinaus klagen immer mehr Destinationen über Wildcamper. Durch Corona und die Streuung via Social Media bekommt das Phänomen sogar noch mehr Auftrieb – und zwar nicht nur in Bezug aufs Zelten. Auch Wohnmobile werden zunehmend illegal abgestellt, worauf der Schweizer Alpen-Club SAC inzwischen mit einer Gegenkampagne reagiert. Unter Hashtags wie #leavenotrace und #buylocal ruft er Camper dazu auf, sich rücksichtsvoll zu verhalten, möglichst bestehende Campingplätze zu nutzen, die lokale Wirtschaft zu unterstützen und Kurtaxen zu bezahlen.
Oeschinensee: Bis zu 2000 Franken Strafe
Mit dem richterlichen Verbot reagieren die Alpschaften an Oeschinen nicht nur auf Wildcamper. Auch das Befahren der Notstrasse Richtung Oeschinen kann fortan mit einer Busse geahndet werden. Die bestehende Strasse wurde behördlicherseits infolge der drohenden Naturgefahren durch den Spitzen Stein gesperrt. Die Notstrasse über die Skipiste wurde gebaut, damit Bewohner und Bewirtschafter das Gebiet weiterhin erreichen können. «Weil es sich um eine Notstrasse handelt, ist sie für die Öffentlichkeit zum Befahren nicht geeignet. Sie ist nicht genügend abgesichert wie eine reguläre Strasse und mit ihrer starken Steigung gerade für Velofahrer beim Talfahren sehr gefährlich», erklärt Christoph Wandfluh. «Familien mit Kindern im Veloanhänger oder Rentner in Jeans mit E-Bikes sollen so vom Befahren abgehalten werden.» Trotzdem würden die offiziellen Absperrungen der Gemeinde regelmässig missachtet. «Wenn etwas passiert, müssen wir als Werkeigentümer haften. Um uns zu schützen, wollen wir deshalb unser bereits bestehendes Verbot ausweiten», so Wandfluh. Bei Widerhandlungen drohen auf Antrag Bussen von bis zu 2000 Franken, hiess es im letzten «Frutiger Anzeiger».
HÜS