«Ich liebe grosse Maschinen»
24.09.2021 PorträtKathrin von Känel fährt seit zehn Jahren LKW, aktuell lenkt sie für Railcare einen 44-Tonner. Die Arbeit ist fordernd, macht der Frutigerin aber mächtig Spass.
MICHAEL SCHINNERLING
Sehr früh am Morgen holt Kathrin von Känel ihren Truck vom Typ Volvo FH 500 in ...
Kathrin von Känel fährt seit zehn Jahren LKW, aktuell lenkt sie für Railcare einen 44-Tonner. Die Arbeit ist fordernd, macht der Frutigerin aber mächtig Spass.
MICHAEL SCHINNERLING
Sehr früh am Morgen holt Kathrin von Känel ihren Truck vom Typ Volvo FH 500 in Gwatt und startet mit dem Aufpritschen. «Es braucht viel Fingerspitzengefühl, um mit dem LKW unter die Container zu fahren. Und vom Hochheben der Container-Stützbeine bekam ich am Anfang noch Muskelkater», erklärt von Känel. Je nachdem was sie auszuliefern hat, rollt hinter ihrem Truck noch ein Anhänger. Bis zu 44 Tonnen bewegt sie dann auf der Strasse. Heute ist es Tiefkühlware, die an die Supermärkte von Coop ausgeliefert werden müssen. Die 30 Rollcontainer sind nach Verkaufsstellen sortiert und ordentlich gesichert.
Wie das Laden hält auch das Ausliefern manche Herausforderung bereit. In Unterseen zum Beispiel heisst es rückwärtsfahren. Die Zufahrt ist nicht sehr breit, was für die Frutigerin aber keine Schwierigkeit darstellt. Dann steigt sie aus und läutet bei der Warenanlieferung. «Guten Morgen, hier ist Kathrin», meldet sich die junge Frau an. «Wir kommen gleich», antwortet Conny Teuscher, Mitarbeiterin der Verkaufsstelle.
Unterdessen fängt von Känel schon an, die Ware auszuladen. Nach und nach zieht sie einige Rollcontainer aus dem Fahrzeug. Mittlerweise ist Conny Teuscher dazugekommen und liest mit einem Scanner die ankommende Ware ein. Für einen kurzen Small-Talk ist auch noch Zeit. «Man kennt sich ja seit vielen Jahren, und wir schätzen Kathrin», erklärt die Coop-Mitarbeiterin. Kathrin von Känel ist währenddessen schon parat für die Weiterfahrt.
Vorwärts, rückwärts, Luft ablassen
Die nächste Anlieferung ist ebenfalls tricky. Auch beim Coop Adelboden heisst es rückwärtsfahren. Um den Volvo etwas abzusenken, lässt von Känel zunächst etwas Luft ab. Damit passt sie das Niveau des LKW an das der Laderampe an, die Ware kann so leichter draufgeschoben werden. Beim Rückwärtsfahren hat es links und rechts nur wenige Zentimeter Spielraum. «Kein Problem für mich, ich sehe ja alles sehr gut im Spiegel», sagt von Känel, steigt aus und lädt die Ware ab.
Einst lernte von Känel bei Coop und arbeitete danach in den Verkaufsstellen Frutigen und Thun. Mit der Zeit merkte die Frutigerin: Das ist nichts für mich. «Ich liebe grosse Maschinen und die Faszination für Trucks war schon immer da. So war der berufliche Wechsel für mich ein kleiner», erzählt sie. Bei jedem Arbeitgeber, etwa Addor in Gstaad oder Imobersteg in Frutigen, fuhr die Frutigerin dann ein anderes Fahrzeug.
Stress auf der Strasse kennt sie nicht
«Der Verkehr hat zugenommen, und ich merke auch: die Leute werden nervöser beim Autofahren», schildert Kathrin von Känel. «Aber ich bleibe locker, sich aufzuregen bringt ja nichts.» Der Beruf sei sehr abwechslungsreich, «da stört es mich nicht, dass ich schon um 3.45 Uhr aufstehen muss.»
Diesen Donnerstag musste von Känel im Berner Oberland ausliefern. «Ich fahre aber auch oft ins Wallis, nach Fribourg, in die Waadt usw. Und nicht immer habe ich Tiefkühlware geladen, ich fahre auch eine Menge Material für Coop Bau + Hobby, dann allerdings mit Anhänger.» Und wie kommt man mit Anhänger in die Städte mit ihren teils engen Strassen? «Der Anhänger wird unterwegs abgekoppelt und parkiert, wenn ich weiss, ich komme damit nicht bis ans Ziel», lacht von Känel. Ob sie irgendwann mal etwas anderes machen will? «Einen anderen Beruf? Nein, kann ich mir nicht vorstellen!», sagt sie bestimmt. «Kein Tag ist wie der andere, das macht es eben aus.»
Gemäss Gesetz muss von Känel alle viereinhalb Stunden eine Pause von 45 Minuten einlegen. Dazu sucht sie immer Lokalitäten auf, die auch genügend Platz für ihr Fahrzeug bieten. Am späteren Nachmittag ist dann die letzte Ladung abgeliefert und es geht zurück nach Gwatt. Der Truck wird innen und aussen gereinigt. «Ich will ja morgen früh in ein sauberes Fahrzeug steigen», erklärt von Känel das Ritual.
Ihr Chef ist mehr als zufrieden mit Kathrin
«Kathrin ist in allen Belangen eine Bereicherung für Railcare», findet ihr Chef Peter Fankhauser. «Sie hat sich mit ihrer natürlichen Art sehr schnell ins Team eingefügt. Wir hoffen, dass wir noch lange mit ihr zusammenarbeiten dürfen.» Dieses Kompliment gibt von Känel gerne zurück: «Der Chef gibt uns Freiheiten. Wir haben es gut untereinander und sind ein gutes Team», findet auch sie.
Railcare ist eine Tochterfirma von Coop und setzt beim Warentransport auf unbegleiteten kombinierten Verkehr. Dabei werden Bahn- und Strassentransporte effizient verbunden. «Frauen in unserem Beruf sind keine Seltenheit mehr, das war vielleicht vor einigen Jahren noch so», sagt von Känel. Dabei seien Truckfahrerinnen diesem Job genauso gut gewachsen wie ihre männliche Kollegen. «Und wenn es Probleme gibt, löse ich die gerne unkompliziert gleich selbst.»