Einst Pension, heute Zweifamilienhaus
24.09.2021 FrutigenEin herrschaftliches Wohnhaus steht oberhalb des Dorfs. Ursprünglich als Pension errichtet, diente das Gebäude diesem Zweck nur für kurze Zeit.
KATHARINA WITTWER
1959, im Zusammenhang mit der Verbreiterung der Adelbodenstrasse, wurde die Zufahrt zur Liegenschaft ...
Ein herrschaftliches Wohnhaus steht oberhalb des Dorfs. Ursprünglich als Pension errichtet, diente das Gebäude diesem Zweck nur für kurze Zeit.
KATHARINA WITTWER
1959, im Zusammenhang mit der Verbreiterung der Adelbodenstrasse, wurde die Zufahrt zur Liegenschaft verlegt. Seither thront das grosse Haus oberhalb einer hohen Stützmauer und ist nur noch auf der Talfahrt zu sehen. Bei besagtem Gebäude handelt es sich um die einstige Pension Villa Waldeck an der Adelbodenstrasse 34 in Frutigen. In der Bauphase muss dem Bauherrn das Geld ausgegangen sein – zu dieser Feststellung kamen Fachleute, bevor das Gebäude 1997 von der kantonalen Denkmalpflege als erhaltenswert eingestuft wurde.
Jedes weitere Stockwerk weniger pompös
Die Aussen- und Zwischenmauern des nahezu vier Meter hohen, gewölbten Kellers sind fast einen halben Meter dick. «Während des Zweiten Weltkrieges wurden stabile Holztüren und an den Wänden Eisenstäbe als Treppenstufen bis zu den Fenstern hinauf montiert. Das Untergeschoss war als Luftschutzkeller mit Notausstieg durch die Fensterlöcher gedacht», erklärt der heutige Besitzer. Die Wasserzufuhr war gesichert. Noch heute gibt es eine Wasserleitung von der eigenen Quelle über den Bräschgengraben bis hinunter zur Waldegg.
Eine Doppeltreppe mit kunstvollem schmiedeeisernem Geländer führt zum Haupteingang. Der direkt darüber liegende Balkon verleiht der Fassade eine gewisse Harmonie. Die Fenster im Erdgeschoss sind oben abgerundet, im ersten Stock eckig und im 2. Stock reichte das Geld nur noch für hölzerne Mansardenzimmer und einfache Fenster. Möglicherweise war ursprünglich ein Dachgiebel vorgesehen, auf den aus Geldmangel zugunsten einer Dachterrasse verzichtet wurde. Je eine mehr als zwei Meter tiefe – ursprünglich offene – Laube erstreckt sich auf den unteren Stockwerken entlang der ganzen Nordost-Seite. Wer das Haus Anfang des 20. Jahrhunderts bauen liess, ist nicht bekannt. Ebenso fehlen Aufzeichnungen über den Betrieb der Pension. Die einzige Jahreszahl (1904) ist auf dem Zementbrunnen zu finden.
Der Beginn der Hari-Ära
Lehrer Albert Hari erwarb die Liegenschaft 1924 und zog daraufhin mit seiner fünfköpfigen Familie vom alten Oberfeldschulhaus ins Eigenheim. Er liess das Haus mit einem Schrägdach aufstocken und richtete sich im Estrich ein «Schnätzbudeli» ein. Aus der gleichen Zeit stammt auch der zweigeschossige, halbrunde Veranda-Anbau.
Sohn Hans Hari, in dessen Besitz das Haus 1948 überging, liess erneut bauliche Veränderungen vornehmen. Unter anderem trennte er die Parterrewohnung von derjenigen in den oberen Stockwerken ab. Die Zentralheizung aus der Bauzeit und die Kupferradiatoren sind nach wie vor in Betrieb. Heute wird die Heizung allerdings statt mit Kohle mit Öl betrieben. Nach wie vor bestens funktionieren die Holzöfen, die von den Korridoren der beiden Wohnungen eingefeuert werden können. In je einer Stube wird der Trittofen warm, im angrenzenden Raum befindet sich ein einfacher, hoher Ofen, verkleidet mit Originalkacheln. Dank eines ausgeklügelten Lüftungssystems kann die warme Luft wahlweise direkt in die Zimmer geleitet werden.
Fast ein kleines Paradies
Jürg Hari, Besitzer in der dritten Generation, erinnert sich noch wage an ein grosses Brett mit aufgemalten Nummern an der Wand beim Eingang. «Wahrscheinlich gab es in jedem Zimmer eine Klingel. Hatten die Gäste einen Wunsch, drückten sie den Knopf, worauf am Brett eine Lampe aufleuchtete oder ein akustisches Signal ertönte. Während des Zweiten Weltkrieges waren hier Internierte einquartiert.» Hari erinnert sich an holländischen Besuch: «Die Männer wollten wissen, wo sie seinerzeit untergebracht waren.»
Wie bei alten Häusern üblich, herrscht auch hier ständiger Renovationsbedarf. Raumaufteilung, dicke Wände, Zimmerhöhe, breite Korridore und ein grosszügiges Treppenhaus in der Mitte des Gebäudes lassen keinen zeitgemässen Umbau zu. «Trotz dieser Nachteile ist es schön, in einem alt-ehrwürdigen Haus mit viel Umschwung zu wohnen! Dass die Grosskinder hier aufwachsen können, ist schon fast paradiesisch», meint der Hausbesitzer.