Ein Bonsai darf auch mal gross sein
29.10.2021 Frutigen, NaturBonsais sind in der Regel Miniaturbäume in Schalen. Doch die Gemeinde verfügt nun über ein Exemplar, das diese Vorstellungen sprengt. Der Rentner Paul Bätscher hat das Gewächs gestaltet.
PETER ROTHACHER
Gut drei Tage hat Paul Bätscher den Wacholderstrauch neben ...
Bonsais sind in der Regel Miniaturbäume in Schalen. Doch die Gemeinde verfügt nun über ein Exemplar, das diese Vorstellungen sprengt. Der Rentner Paul Bätscher hat das Gewächs gestaltet.
PETER ROTHACHER
Gut drei Tage hat Paul Bätscher den Wacholderstrauch neben dem Parkplatz der Gemeinde am Ischlagweg bearbeitet. Nun sieht das Gehölz wie ein riesiger Bonsai aus. Ein Widerspruch in sich? «Nicht unbedingt», sagt der Hobby-Bonsaianer. «Meistens ist ein eingetopfter Bonsai zwar die Zwergvariante eines Baumes, aber auch grössere Gewächse lassen sich durchaus in dem Stil zurechtformen. Beim Wacholder – ich habe natürlich beim Gemeindepräsidenten vorgängig die Bewilligung eingeholt – ist mir das ganz gut gelungen.»
Mit seiner Aktion möchte Paul Bätscher zeigen, dass aus fast allen Bäumen und Sträuchern etwas Besonderes gestaltet werden kann. Und auf die recht happigen Preise der Bäumchen im Handel angesprochen, meint er mit einem Lächeln: «Eingetopft wäre dieser Wacholder-Bonsai nun wohl mindestens um die 20 000 Franken wert.»
Wissen aus diversen Quellen
Trotz seiner 20-jährigen Erfahrung auf dem Gebiet, sieht sich der 68-Jährige jetzt nicht als ultimativer Experte. «Es bereitet mir Freude, und ich bin nach wie vor auch experimentell unterwegs. Als naturnaher Mensch habe ich mich über Internet und Bücher informiert sowie Kurse bei Heinz Mollet in Riggisberg besucht.» Er sei in Frutigen auch nicht der Einzige, der diesem Hobby fröne. Aber über all die Jahre hat Bätscher schon 45 Bonsais aller Art geformt, die nun um sein Haus herum platziert sind. Darum spielt er mit dem Gedanken, eventuell einige zu verkaufen. «Es wäre mir aber schon wichtig, dass künftige Besitzer die Bäumchen weiterhin mit Sorgfalt pflegen.»
Viele Baumarten eignen sich
Japaner nennen das Bonsai-Grundmaterial Yamadori, was sinngemäss «aus der Landschaft holen» bedeutet. Das macht auch Paul Bätscher: «Mit Genehmigung des jeweiligen Waldbesitzers oder Försters suche ich mir geeignete Bäumchen aus. Zum Teil pflege ich diese noch an Ort und Stelle, lasse ihnen eine gewisse Vorpflege zukommen, bevor ich sie dann später ausgrabe.» Wahre Fundgruben seien zudem Bergsturzgebiete, wo es fast nur Geröll, Steine und bereits bonsaimässig entwickelte Bergkiefern gebe.
Als Bildhauer hat der Frutiger aber auch Beziehungen zu Friedhofgärtnern. «Aufgehobene Gräber – mit Bäumchen, die bereits während 30 Jahren kleingehalten wurden – sind mir eine gute Quelle.» Speziell geeignet seien Zypressen aller Art, er habe jedoch schon fast alle gängigen Baumarten ausprobiert – mit unterschiedlichem Erfolg.
Schneiden und in Form bringen
Mit Bonsai-Erde und normalem Dünger in einen Topf eingepflanzt, wird das Bäumchen dann geformt. Mittels Draht und Schnur werden die freigelegten Äste zum weiteren Wachstum in die gewünschte Richtung gezogen, sodass sie sich nicht kreuzen. Angestrebt wird eine Etagenbildung, und gegenüber dem normalen Baum ein Massstab von 1:50. «Optimal wäre zudem, speziell bei Nadelbäumen, ein grösserer Altholzanteil. Diese Teile werden mit einer weissen Kalk-Schwefel-Masse gebleicht, die wie faule Eier stinkt», berichtet Bätscher. Alle zwei bis drei Jahre erhalten seine Bonsai-Bäumchen neue Erde. «Bei der Gelegenheit werden in der Regel auch die Wurzeln mit einem scharfen Werkzeug gestutzt. Im Frühling ist jeweils der Blattschnitt angesagt: Grosse Blätter werden ganz oder halb abgeschnitten.» Der zweite «Schuss» – die nachwachsenden Blätter – würden dann kleiner ausfallen.
Natur und Umwelt geniessen
In China und Japan rankt sich um den «Baum in der Schale» eine eigene Philosophie. Bonsai ist dort Kunst und Kult. So weit will Paul Bätscher nicht gehen. «Mir macht die Gestaltung ganz einfach Freude. Ich geniesse die Natur und fühle mich dabei Gottes Schöpfung nahe.» Der gelernte Maschinenzeichner und Techniker TS arbeitet als Rentner weiterhin zu 40 Prozent in der Bildhauerei seines Sohnes. «Die Gestaltung der Bonsais ist und bleibt für mich ein entspannendes Hobby.»